Spaniens Medien-Schlammschlacht

Ein finanzpolitischer Skandal bringt die Tageszeitung 'El Pais‘ und das Wochenmagazin 'Cambio 16‘ gegen die Neugründung 'El Mundo‘ auf  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Ein spanischer Journalist — Jesus Cacho —, Mitarbeiter der Tageszeitung 'El Mundo‘, entdeckt einen finanzpolitischen Skandal: Der Gouverneur der staatlichen „Bank von Spanien“, Mariano Rubio, hat qua Amt die Finanzgruppe „Ibercorp“ gestützt. Rubio besitzt selbst Aktien dieses Konsortiums mit fragwürdiger finanzieller Solidität. Möglicherweise haben er und mehrere Neureiche aus dem Umkreis der Sozialistischen Partei — darunter Ex- Finanzminister Miguel Boyer — sich durch privilegierte Information bevorteilt, zulasten der übrigen Aktionäre der Gruppe. Aufgrund der Enthüllungen in 'El Mundo‘ gerät die Person des Bankchefs wenige Monate vor Ablauf seiner Amtszeit im Juli ins Zwielicht. Ein Gericht beginnt zu ermitteln.

Anfang Juni nimmt der „Ibercorp“-Skandal eine unerwartete Wendung. Das Wochenmagazin 'Cambio 16‘, bis dahin ein seriöses Blatt, veröffentlicht die Abschrift eines Telefongesprächs des Journalisten Jesus Cacho mit einem Anwalt. Wer das Telefon des Journalisten abgehört hat und wie 'Cambio 16‘ an die Abschrift kam, teilt das Blatt nicht mit. Dem Gespräch ist zu entnehmen, daß sich der Chefredakteur von 'El Mundo‘, Pedro J. Ramirez, mit einem prominenten Mitglied der rechten Volkspartei (PP) getroffen hat und dem Politiker dabei Ratschläge über das weitere Vorgehen in Sachen „Ibercorp“ im Parlament gegeben hat. Dies und weitere Details sind für den 'Cambio 16‘ schlagender Beweis, daß die Enthüllungen über die Machenschaften des Gouverneurs Rubio keineswegs journalistische Bemühungen zur Aufdeckung eines Finanzskandals seien.

Verschwörung statt Bereicherung?

Dahinter stecke vielmehr ein Coup von Seilschaften aus der Wirtschaft gegen den Bankchef Mariano Rubio. Es handele sich hier um die „bösartigste politisch-ökonomische Verschwörung, die jemals in diesem Land ausgeheckt wurde“, so verteidigt der Chefredakteur des Blattes die unerhörte Veröffentlichung eines illegal abgehörten Gesprächs. Am Tag darauf schließt sich die größte spanische Tageszeitung, 'El Pais‘, dem 'Cambio 16‘ an. Sie druckt nicht nur das abgehörte Telefongespräch gekürzt nach: In einem langen Kommentar wird darüberhinaus die Verschwörungsthese wiederholt und verstärkt. „Die Tatsache, daß die Informationen vermutlich auf dem illegalen Abhören von Telefonen und der unangebrachten Veröffentlichung privater Gespräche beruhen, verringern nicht das Interesse, das an den Äußerungen der Gesprächspartner besteht.“ Mit dieser Lakonie geht das spanische Zeitungsflaggschiff 'El Pais‘ über das illegale Abhören hinweg. Der Zweck heiligt die Mittel, denn „die Tonbänder zeigen offensichtlich die dümmsten Methoden zur Manipulation der Öffentlichkeit, die man sich nur vorstellen kann“, wie es in dem Kommentar weiter heißt. 'El Pais‘ sieht nicht nur eine Konspiration gegen Mariano Rubio bewiesen, für die Zeitung geht es um mehr.

Das Gespräch zwischen dem Chefredakteur des linksliberalen 'El Mundo‘ mit einem Mitglied der Volkspartei ist für 'El Pais‘ kein journalistisches Informationsgespräch, sondern ein Beweis dafür, daß sich in Spanien ein Pakt nach griechischem Vorbild zwischen Rechten und Linken anbahnt, um die Sozialisten aus der Regierung zu stürzen — für den Kommentator offensichtlich ein nahezu vaterlandsverräterischer Akt. „Es ist nicht schlecht, die große Tragikomödie der Simulation offenzulegen, die von den infantilsten Teilen der Rechten inszeniert wird zusammen mit den Resten des orthodoxesten Kommunismus“, heißt es zum Schluß hin unter Anspielung auf das jüngste Treffen zwischen dem Vorsitzenden der Volkspartei, Jose Maria Aznar, und seinem Kollegen von der Linkskoalition Izquierda Unida, Julio Anguita.

Ganz saftige eigene Interessen

Nicht nur diese fragwürdige allgemeine Solidarität mit der herrschenden politischen Klasse ist jedoch Auslöser für die Schlammschlacht der beiden seriösen Medien. Pedro J. Rodriguez, Chefredakteur von 'El Mundo‘, ist vor wenigen Jahren aus politischen Gründen aus der Tageszeitung 'Diario 16‘ gefeuert worden, die zur selben Unternehmensgruppe gehört wie der 'Cambio 16‘. Jesus Cacho, das zweite Ziel der Schmutzkampagne, hatte wiederum bis vor wenigen Jahren bei 'El Pais‘ einen Redakteursposten inne, den er jedoch wegen einiger Bücher über die „sozialistische Jet-Set-Mafia“ verlor. Zu diesen persönlichen Animositäten gesellen sich geschäftliche.

In der ohnehin überbesetzten Tageszeitungslandschaft Spaniens hat Pedro J. Ramirez nach seinem Rauswurf 'El Mundo‘ gegründet, das nicht nur dem 'Diario 16‘ zu schaffen macht, sondern zunehmend auch 'El Pais‘ LeserInnen wegschnappt. Drei Jahre nach seiner Gründung verkauft 'El Mundo‘ heute 180.000 Zeitungen täglich, tendenziell aus der selben Leserschicht wie 'El Pais‘. Die Möglichkeit, 'El Mundo‘ in eine rechte Ecke zu stellen, kam für 'El Pais‘ insofern wie bestellt. Die „Gruppe 16“ hinwiederum ist mit mehreren der in den „Ibercorp“- Skandal verwickelten Leute personell und finanziell eng verflochten. Deren Pleite könnte die Schließung der „Gruppe 16“ bedeuten. So führen nun zwei Konkurrenten auf dem Medienmarkt gemeinsam eine Schlammschlacht gegen einen Dritten. In den Hintergrund rückt der eigentliche Skandal: Daß sich im Windschatten einer sich sozialistisch nennenden Regierung Amtsträger hemmunglos bereichern.