„Tiger ohne Zähne“

Grundsatzerklärung über Wälder spiegelt den Nord-Süd-Konflikt wider  ■ Aus Rio Astrid Prange

Es geht weder um Grenzwerte noch um Handelsbeschränkungen. Es geht ums Prinzip. Doch darüber kann man bekanntlich streiten. Nach mehr als einem Jahr Vorverhandlungen haben sich die Vertreter von 180 Staaten in der Nacht zum Freitag förmlich auf eine Grundsatzerklärung zur Nutzung der Wälder, „Forest Principles“, in Rio geeinigt. Der kleinste gemeinsame Nenner ist nach Meinung von Umweltexpertin Barbara Unmüssig „ein Tiger völlig ohne Zähne“. „Die Forest Principles bleiben weit hinter den Weltbankrichtlinien für die Waldwirtschaft zurück, wo der Schutz von Primärwald bereits verankert ist“, erklärt die Koordinatorin deutscher Umweltverbände auf der UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung.

Der kritische Kommentar hätte auch aus der Ecke der Entwicklungsländer, zusammengeschlossen in der „Gruppe 77“, kommen können. Malaysia, Indonesien und Indien weigerten sich bis zur letzten Minute, die Grundsatzerklärung zu unterzeichnen. Sie beschuldigen das „Weiße Haus“, die tropischen Wälder lediglich als natürliches Auffangreservoir für Kohlendioxidemissionen zu betrachten. „Statt dem Süden eine Wälderkonvention aufzudrücken, sollten die USA lieber ihre Energiepolitik im eigenen Land verbessern“, stellt der indische Umweltexperte Anil Agarwal vom „Center for Science and Environment“ klar.

An US-Präsident Bush ließ der Inder kein gutes Haar. „Der Hinweis auf den Verlust von Arbeitsplätzen reicht nicht aus, die umweltfeindliche Position der USA zu rechtfertigen. Im Grunde geht es Bush nur um einen einzigen Arbeitsplatz, nämlich seinen im „Weißen Haus“.

Daß die „Forest Principles“ doch noch zustande kamen, ist Bundesumweltminister Klaus Töpfer zu verdanken. Töpfer wurde von der brasilianischen Konferenzleitung damit beauftragt, die bilateralen Verhandlungen zu führen. „Malaysia tut alles, um möglichen Hintertüren von vorneherein den Riegel vorzuschieben. Wir tun alles dagegen“, beschreibt Michael von Websky aus dem Umweltministerium die Verhandlungsstrategie der deutschen Delegation.

Für ihre Unterschrift hat sich die „Gruppe 77“ ausbedungen, daß in der Grundsatzerklärung keine Hinweise auf Handelsbeschränkungen für Tropenhölzer auftauchen. Erst in allerletzter Minute stimmten sie „möglichen internationalen Vereinbarungen über nachhaltige Waldbewirtschaftung“ in der Zukunft zu. Mit anderen Worten: Eine verbindliche Konvention über Wälder ist nicht mehr von vorneherein ausgeschlossen.