CSFR: „Es ist eine taktische Schlacht“

Nach dem Scheitern der zweiten Gesprächsrunde zwischen Vaclav Klaus und Vladimir Meciar greift Prag Bratislava immer schärfer an/ Am Sonntag soll jedoch erneut verhandelt werden  ■ Von Sabine Herre

Berlin (taz) — Jiri Schneider, der Pressesprecher der ODS hüllte sich in ein Netz unklarer Formulierungen. Auf die Frage, ob die Bürgerlich-demokratische Partei von Vaclav Klaus bereit sei, mit Vladimir Meciars HZDS über die Bildung einer Konföderation zwischen der Tschechischen und der Slowakischen Republik zu verhandeln, wollte er nicht mit „ja“ oder nein“ antworten. „Wissen Sie, da findet nun eine große taktische Schlacht statt. Zuerst müssen die Slowaken einmal sagen, was sie genau wollen.

Ganz so unklar, wie Schneider es darstellt, ist die Position der HZDS jedoch nicht. Die „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ hat klargemacht, daß sie für ein „gemeinsames Bündnis“ beider Republiken eintrete. Beide Staaten sollten zwar als „internationale Subjets“ anerkannt werden, zugleich aber ein gemeinsames Außen-, Verteidigungs- und Finanzministerium haben. Bei der Formulierunmg dieser Position zeigt sich die HZDS selbstsicher: Schließlich werde auch der tschechische Verhandlungspartner einsehen, daß „sich die Föderation in ihrer jetzigen Form überlebt habe“. Pressesprecher Geci: „Der Prager Pragmatismus wird seine weiteren Schritte bestimmen.“

Doch genau dieser Pragmatismus ist in den Verhandlungen bisher kaum zu spüren. Bei Beobachtern setzt sich immer mehr der Eindruck durch, daß Klaus den Vorstellungen der Slowaken in keiner Weise entgegenkommen will. Weiterhin tritt er für eine „starke Föderation“ ein.

Abgelehnt wird von der ODS auch das von Bratislava vorgeschlagene Referendum über die Zukunft des gemeinsamen Staates. Schneider: "Wir sind mit einem klaren proföderalen Programm in die Wahlen gegangen, die Wähler haben uns ein klares Mandat erteilt, eine erneute Abstimmung ist nicht nötig.“

Die HZDS spielt dieses Referendum derzeit jedoch als ihre stärkste Karte aus. Nicht nur bei der Pressekonferenz nach der zweiten Verhandlungsrunde zwischen ODS und HZDS, die am späten Donnerstagsabend in Prag ohne konkrete Ergebnisse zuende ging, sondern auch in einem Gespräch mit dem Presssprecher der Bewegung fällt folgender Satz: „Wir sind zwar für einer Konföderation, aber wenn der Wähler anders entscheidet, akzeptieren wir auch eine Föderation.“ Anders ausgedrückt: „Wir sind flexibel, die tschechische Seite dagegen will die Bevölkerung nicht über ihre Zukunft abstimmen lassen.“

Unterschiedliche Positionen gibt es schließlich in einer weiteren Frage: Während die ODS so schnell wie möglich zumindest eine Entscheidung herbeiführen möchte, läßt sich die HZDS Zeit. Der Grund: Die Amtszeit Vaclav Havels endet am 5.Juli, danach werden seine Aufgaben vom Präsidium der Föderalversammlung wahrgenommen werden. Und hier wird die HZDS selbst, oder aber einer ihrer Vertrauten — genannt wird Alexander Dubcek — den Vorsitzenden stellen.

Diese „linke Gefahr“ wird von Schneider sehr wohl gesehen. Er weiß, daß die HZDS gemeinsam mit den ex-kommunistischen Parteien sowie der Slowakischen Nationalpartei und den Sozialdemokraten Alexander Dubceks in der Föderalversammlung über eine knappe Mehrheit verfügt und es somit möglich wäre, eine föderale Regierung ganz ohne die ODS und die anderen konservativen und christdemokratischen Parteien zu bilden. Eine solche Entwicklung wollen diese freilich verhindern. Und so fanden gestern in Prag nicht nur erste Koalitionsgespräche zwischen allen rechten Parteien statt, zugleich wird auch die Pressekampagne gegen die slowakischen „National-Sozialisten“ schärfer. Ein Ziel ihrer Angriffe ist dabei der tschechische Minister für „föderale Fragen“, Jaroslav Sabata, der als Vertrauter Vladimir Meciars gilt (siehe taz-Interview vom 11.6). Selbst seine eigene Partei, die Bürgerbewegung Jiri Dienstbiers, distanzierte sich von ihm. Und noch ein weiteres Indiz weist darauf hin, daß die ODS mit dem baldigen Ende der Föderation rechnet: Ein Kandidat für den am Montag zu wählenden Ministerpräsidenten der tschechischen Republik wurde bisher nocht nicht bekanntgegeben. Sollte die Föderation scheitern wird Klaus dieses Amt übernehmen. Nicht überbewertet werden sollte nach Ansicht vor Beobachtern dagegen diejenigen „tschechischer Nationalisten“, die am Wenzelsplatz Unterschriften für eine „freie und wirtschaftlich starke Tschechische Republik“ und gegen den „Irren“ Meciar sammeln. Denn zu Füßen des tschechischen Nationalheiligen Wenzel sammelten sich in den vergangenen zwei Jahren stets die „Dauernörgler“, die auf alle politischen Entscheidungen und alle Politiker schimpften. So wie sie noch in den vergangenen Wochen ihrem Unmut gegen die Wirtschaftspolitik von Vaclav Klaus freien Lauf ließen, so demonstrieren sie jetzt für ihn.