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: Saubere Öko-Geschäfte

■ Unternehmer legen Kompendium zum Öko-Umbau vor

Berlin (taz) — „Die eigentliche Frage ist nicht, was beschlossen wird, sondern was nachher tatsächlich passiert.“ Stephan Schmidheiny, Schweizer Großindustrieller und neuerdings Öko-Papst aller grünen Kapitalisten, hat dem Scheitern des UN-Gipfelspektakels in Rio bereits vor seiner Eröffnung vorgebaut. Als ihn Anfang Mai der amerikanische Präsident George Bush in Washington empfing, wollte der Vorsitzende des Unternehmerrats „Business Council for Sustainable Development“ diesen noch überzeugen, die Umwelt zum integralen Bestandteil aller Überlegungen im ökonomischen Kräftespiel zu machen. Das Verlangen der KundInnen nach sauberen Produkten, strenger werdende Umweltverordnungen und neue marktwirtschaftliche Instrumentarien wie Steuern, Abgaben oder Zertifikate würden zeigen, daß Investitionen in die Öko-Effizienz eher zur Rentabilität beitragen, als sie beeinträchtigen, argumentierte Schmidheiny gegenüber Bush. Doch daß sich wirtschaftliche Leistungen und Umweltbelange trefflich miteinander vereinbaren lassen, wollte der US-Präsident nicht hören.

Schmidheiny jedoch, ganz Zweckoptimist, glaubt weiter an das von ihm gemeinsam mit 48 Top-Managern entwickelte Konzept einer „nachhaltigen Entwicklung“. Die Verantwortlichen aus der Industrie sollen nun den „Kurswechsel“ vollbringen; denn nachhaltige Entwicklung bedeutet für sie, die Wertschöpfung zu steigern und gleichzeitig den Rohstoffverbrauch zu senken — und so eine Entwicklung durchzusetzen, die es auch den Nachfahren heutiger Wirtschaftskapitäne erlaubt, Geschäfte zu machen.

Die Logik ist dabei die alte: Ohne Geschäft kein Forschritt. Das ist zwar längst nicht der globale Umschwung, den der Club of Rome vor zwanzig Jahren mit dem Begriff Sustainable Development einforderte, aber immerhin will das Business Council nicht nur ökonomische Vorteile wahrnehmen, Vorsprung vor der Konkurrenz sichern oder Umwelt-Vorschriften einhalten, sondern sich dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen verpflichten. Angesichts der Zusammensetzung des Unternehmerrats — darunter die Chefs der nicht gerade umweltbewußten Konzerne VW, Toyota, Mitsubishi, Nippon Steel, Royal Dutch oder Cevron— wundert es nicht, daß Schmidheiny in diesem Gremium zweijährige Überzeugungsarbeit leisten mußte. Doch das Ergebnis, das zum Rio- Gipfel vorgelegte fünfhundertseitige Kompendium, kann sich durchaus sehen lassen. Da wird ein ganzer Katalog von kurz- und langfristigen Maßnahmen vorgeschlagen und eine Reihe von „Erfolgstories“ präsentiert, die dem ökologischen Wirtschaften den Weg ebnen sollen. Trotz aller Defiztite scheinen einige der Wirtschaftsbosse inzwischen zu der Einsicht gelangt zu sein, daß der Raubbau nicht unendlich fortgesetzt werden kann. Das rigorose Umsteuern, das aus dieser Erkenntnis folgen müßte, sind die Industriemanager bislang schuldig geblieben. Erwin Single

Das Kompendium ist als Buch erschienen. Stephan Schmidheiny: Kurswechsel. Verlag Artemis & Winkler, München 1992, 48 DM.