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Off-Off-Mode wie geschmiert

■ Sommer-AVE: Die »Modemesse für Gläubige« auf altem Straßenbahngelände

Wir sind zu viert, wir sind alle kariert, wir sind kariert, läuft wie geschmiert«, sangen die playbackunterstützten Models, und das Publikum jubelte. Der kalauernde Reim- dich-oder-ich-schlag'-dich-tot- Text, mit dem die Schottenmustersommerkreationen des Designers Strusi präsentiert wurden, war zweifellos einer der inszenatorischen Höhepunkte des Premierenabends der diesjährigen Sommer-AVE. Denn diese, mittlerweile sechste, Auflage der »Modemesse für Gläubige«, die am vergangenen Samstag im alten Straßenbahndepot in Moabit eröffnet wurde, wartete ansonsten mit eher einfallslosen Darbietungen des Genähten und Gestrickten auf.

Der ursprüngliche Happening- Charakter der Berliner Off-Off-Modemesse ist dieses Jahr deutlich in den Hintergrund getreten. Die Konzentration lag auf der Mode an sich, und die fiel nicht zuletzt durch einen überraschend hohen Gebrauchswert auf. Von einigen wenigen Ausnahmen einmal abgesehen — wie etwa den Holzklötzchen in Blumenform, die Jutta Nordheim ihren potentiellen Kundinnen als Brustbekleidungsstücke nahelegte, oder der Herrenunterhose mit Klarsichtfolieneinsatz von Karl-Heinz Wagner, der dem, dahinter nicht länger verborgenen, Körperteil den Charme eines alternden Würstchens in Aspik verlieh — bestachen die vorgeführten Kleidungsstücke durch ihre Tragbarkeit. Das Publikum wußte dies zu schätzen: Weder die exotischsten Kreationen noch die erotischsten Verrenkungen ernteten den lautesten Beifall, sondern die Kleidungsstücke, die mann/frau sich als Zierde für den eigenen Körper vorstellen konnte.

Unter den FavoritInnen war dabei sicherlich das Duo »Men's Fun«, die witzige Karowesten und -shorts kombiniert mit schwarzen und weißen T-Shirts und Hemden über den Laufsteg schickten. Ebenso auf Begeisterung stießen die schlicht-schönen Abendkleider und klassisch geschnittenen Kostüme der beiden »Steckenpferd«-Schöpferinnen. Firlefanz ist offenbar so out wie edle Stoffe, und so zeigte denn auch das Gros der 28 AnbieterInnen vor allem Baumwollstoffe und klare Linien. Diese wurden nicht selten durch dezente Zitate vor allem aus dem Ethno-Bereich aufgepeppt: Archaisch anmutende Muster, bayerische Trachtenornamente und schottische Karos.

Die Schmuckstück-Designerin Christa Raspe brachte den Zitatcharakter dieser Elemente dann auch in dem von ihr gestalteten Bild zum Ausdruck: Den ganz mit metallenen Schmuckstücken behangenen, feierlich einherschreitenden keltischen KriegerInnen folgte eine Gruppe hipper Disko-TänzerInnen, die die keltischen Muster als Accessoires zur Vervollkommnung ihrer Freizeitkleidung trugen. Wer diese und andere modische Sehenswürdigkeiten bestaunen möchte, hat dazu noch heute abend ab 20.30 Uhr in der Wiebestraße 29-39, Moabit, Gelegenheit. Sonja Schock

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