INTERVIEW
: Rumänische Opposition kämpft mit dem Nationalismus

■ Smaranda Enache ist führendes Mitglied der rumänischen Bürgerallianz-Partei und des Oppositionsblocks „Demokratischer Konvent“

taz: Gestern haben nur ein paar tausend Leute anläßlich des 2. Jahrestags des Überfalls der Bergarbeiter in Bukarest gegen Iliescu demonstriert. Die rumänische Opposition macht es sich offensichtlich selbst schwer, kaum vereint, fällt sie wieder auseinander. Die Nationalliberalen sind aus dem „Demokratischen Konvent“ — der nun auf 13 Parteien „geschrumpft“ ist — ausgetreten.

Smaranda Enache: Dem Vorsitzenden der Nationalliberalen, Radu CÛmpeanu, war unsere Partei seit ihrer Gründung ein Dorn im Auge. Während der Kommunalwahlen am 9.Februar haben einzelne Vertreter der Nationalliberalen sogar erfolgreich das Prinzip der „gemeinsamen Oppositionslisten“ hintertrieben. Radu CÛmpeanu will bei den für Herbst angesetzten Parlamentswahlen in den nationalistischen Hochburgen Stimmen gewinnen. Aus diesem Grund lehnt er jedwedes Wahlbündnis mit dem nach wie vor dem „Demokratischen Konvent“ angehörenden Demokratischen Verband der Rumänienungarn ab.

Auch andere lokale Vertreter des „Demokratischen Konvents“ — in Sathmar beispielsweise — haben die ultranationalistische Nationale Einheitspartei gegen den ungarischen Verband unterstützt.

Leider gibt es sogar in der Bürgerallianz- Partei Leute, die auf die nationale Karte setzen.

Auch in bezug auf Moldova?

Radu CÛmpeanu hat in dieser Frage eine radikale Haltung eingenommen und sogar gefordert, Rumänien müsse der Moldau-Republik militärisch beistehen, falls der Konflikt zwischen Moldauern und den Bewohnern der separatistischen Dnjestr-Republik nicht anders gelöst werden könnte. Übereinstimmend mit dem Chef der demokratischen Agrarierpartei und der Jungliberalen Partei forderte er eine bedingungslose Wiedervereinigung. Die Bürgerallianz vertritt den Standpunkt, daß die Bewohner der Moldau-Republik im Einklang mit dem international sanktionierten Selbstbestimmungsrecht der Völker selbst über die Vereinigung mit Rumänien entscheiden müssen.

Die demokratische Opposition hat sich bislang nicht ernsthaft mit den radikalen Parteien auseinandergesetzt und sie als Satelliten der regierenden Front verharmlost.

Die Verharmlosung dieser Parteien beruht auf der Scheu, sich kritisch mit den nationalistischen Verformungen der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen.

Gerade die Kommunalwahlen haben bewiesen, daß die ultranationalistischen Parteien mit 10 Prozent der Stimmen zum drittstärksten politischen Faktor Rumäniens geworden sind.

Das kollektive Schweigen der demokratischen Öffentlichkeit ermöglichte eine Legitimation dieser Parteien. So lange darüber nur in Zeitschriften der intellektuellen Elite debattiert wird, bleibt die Gefahr eines Abdriftens ins extremistische Abseits nach wie vor bestehen. Die genannten Parteien verfügen allerdings über eine unausgegorene, primitive Ideologie und versuchen deswegen ihre ideologischen Wurzeln in der Zwischenkriegszeit zu entdecken. Die vom Studentenführer Marian Munteanu (vor zwei Jahren Symbol der Opposition in Bukarest, die Red.) gegründete „Bewegung für Rumänien“ könnte außerdem eine zukünftige katastrophale politische Alternative werden. Ihre Anziehungskraft beruht auf einem populistisch angehauchten Mythos des Rumänismus und des orthodoxen Christentums sowie in der ideologischen Verbrämung und romantischen Verklärung der faschistischen Eisernen Garde aus der Zwischenkriegszeit. Die Rehabilitierung des rumänischen Eisengardistenführers, Corneliu Zelea Codreanu, wird bereits von Blättern wie 'Baricada‘ betrieben. Es ist anzunehmen, daß die fundamentalistische „Bewegung für Rumänien“ eine gewisse politische Rolle spielen könnte, falls es ihr gelingen sollte, Anhänger der Partei Großrumänien oder der Nationalen Einheitspartei für ihre Ziele zu gewinnen. Eine Zusammenarbeit mit dem „Demokratischen Konvent“ ist ausgeschlossen. Interview: William Totok