Mann zieht hinaus, Frau bleibt zu Haus

■ Deutsche Unternehmen entsenden nur sehr selten Frauen ins Ausland/ Jahre später wird Frauen die fehlende internationale Erfahrung zum Aufstiegshindernis/ Objektive Entsendungskriterien?

Bad Honnef/Berlin (taz) — „Wir haben im letzten Jahr den Frauenanteil bei internationalen Entsendungen verdoppelt: Statt zwei haben wir vier Mitarbeiterinnen ins Ausland geschickt“, berichtet der Auslands- Personalchef eines großen deutschen Unternehmens; nicht ohne ironischen Unterton, denn insgesamt war er für die Entsendung von 80 Beschäftigten verantwortlich.

Niemand bestreitet ernsthaft das Offenkundige: Der typische Auslandsmitarbeiter deutscher Firmen ist männlich. Auf maximal drei bis fünf Prozent schätzen ExpertInnen vom Institut für Interkulturelles Management (IFIM) in Bad Honnef den Frauenanteil der Auslandsmitarbeiter. Das Institut bereitet im Auftrag von Unternehmen den Nachwuchs auf Auslandsaufenthalte vor.

Monika Zabel, Diplom-Ingenieurin und Trainerin beim IFIM, findet den geringen Frauenanteil bei den Auslandsentsendungen problematisch: „Die Internationalisierung der deutschen Wirtschaft erreicht eine neue Qualität, und immer mehr Unternehmen setzen einen Auslandsaufenthalt ihrer Nachwuchsführungskräfte als notwendigen Schritt für eine weitere Karriere voraus.“ Dies könne dazu führen, daß Frauen vom weiteren Aufstieg ausgeschlossen würden. „Erst entsendet man sie nicht ins Ausland, und später verwehrt man ihnen den Aufstieg, weil sie ein scheinbar geschlechtsneutrales Kriterium nicht erfüllen.“

Diese Befürchtung ist nicht abwegig. Zabels Kollege Andreas Bittner bestätigt, daß Frauen die absolute Ausnahme in den Vorbereitungsseminaren sind. „Es ist keineswegs so, daß keine Frauen zu Vorbereitung angemeldet würden. Aber es sind fast ausnahmslos Mitausreisende. Wenn unsere Teilnehmer repräsentativ sind, steht es um den Frauenanteil tatsächlich sehr schlecht.“

Doch es ist nicht allein Frauenfeindlichkeit, die die Unternehmen bewegt, bevorzugt Männer zu entsenden: „Vergegenwärtigen Sie sich die kulturellen Gegebenheiten der Zielländer: In den meisten sind Frauen in Führungspositionen noch erheblich ungewöhnlicher als bei uns“, beschreibt Bittner das Dilemma vieler Personalabteilungen: „Nach Skandinavien, Holland oder den USA könnte man ohne weiteres mehr Frauen entsenden, als dies heute üblich ist. Aber nach Mexiko, in die Türkei, nach Korea oder gar Saudi-Arabien?“ Hier bestehe tatsächlich ein Problem: Einerseits empfehle das IFIM den Unternehmen, die typischen Erwartungen der Einheimischen an eine Führungskraft bei der Auswahl der zu Entsendenden zu berücksichtigen. „Andererseits macht es uns schon Bauchschmerzen, wenn wir durch die Empfehlung die Chancen für Frauen verringern.“

Erschwerend wirkt in dieser Situation, daß die möglichen Einsatzorte von den Beschäftigten als unterschiedlich attraktiv eingeschätzt werden. Je „exotischer“ der Einsatzort, desto geringer ist die Bereitschaft auch des Führungsnachwuchses, sich entsenden zu lassen. Die patriarchalischsten Länder gelten auch bei jüngeren Männern als am wenigsten attraktiv. Monika Zabel: „Nord- und Westeuropa sowie Nordamerika gelten als attraktiv. Das sind jedoch auch die Länder, in die man Frauen entsenden kann, ohne ihnen komplizierte Rollenprobleme aufzubürden. Manche Länder Lateinamerikas mögen auch noch angehen, aber es ist unstrittig, daß es in vielen Ländern von wenig Einfühlungsvermögen zeugen würde, dort eine Frau zur Niederlassungsleiterin zu machen. Aber wenn Personalchefs die bevorzugten Einsatzländer aus kulturellen Erwägungen stärker für Frauen reservieren wollten, bräuchten sie gegenüber den Männern erhebliches Standvermögen.“

Vielleicht sollten sie es dennoch tun: Insgesamt sind nämlich die Erfahrungen mit Frauen als Auslandsmitarbeiterinnen keineswegs schlecht, wie kürzlich bei einem Fachgespräch im IFIM zur internationalen Personalentwicklung deutlich wurde: Frauen in Führungspositionen, so wurde dort von Personalverantwortlichen berichtet, seien in der Regel mobiler als ihre männlichen Kollegen: „Frauen in Führungspositionen haben sich häufig ganz bewußt und eindeutig für die Karriere entschieden“, so die Erfahrung einer Teilnehmerin, „und sie wissen, daß es Opfer erfordert, in einer Männergesellschaft Karriere zu machen.“ Männer würden häufiger die Illusion hegen, daß man beides ohne Abstriche haben könne: ein ausgeglichenes Familienleben und eine Berufskarriere.

Männer würden sich daher viel häufiger gegen eine Auslandsentsendung wehren, weil ihre Partnerinnen damit nicht einverstanden seien. Frauen verstünden es hingegen viel besser, Berufsanforderungen mit ihren privaten Bedürfnissen zu verbinden. Entsprechend habe man in ihrem Unternehmen den Frauenanteil an Auslandsentsendungen auch beträchtlich gesteigert.

Doch diese Erfahrung scheint nur begrenzt auf andere Unternehmen übertragbar. „Solche Frauen gibt es“, meinte ein männlicher Personalchef auf derselben Veranstaltung. „Sie sind aber nicht so zahlreich, daß durch ihre Rekrutierung tatsächlich ein wesentlicher Frauenanteil erreicht werden könnte.“

Die generelle Forderung nach Langzeit-Auslandserfahrung unterstützt das IFIM allerdings nur bedingt. „Die Unternehmen müssen zu einer differenzierten Betrachtung gelangen“, fordert IFIM-Mitarbeiter Bernhard Reisch. „Sie müssen im Detail klären, für welche Führungsaufgaben welche internationale Erfahrung unabdingbar, für welche wünschenswert und für welche irrelevant ist.“ Weltoffenheit sei sicherlich bei den meisten Führungspositionen in höherem Maße erforderlich als früher. Dies setze aber nicht zwangsläufig einen Langzeit-Auslandsaufenthalt voraus. Erst wenn die Unternehmen geklärt hätten, für welche Positionen mehrjährige Arbeitserfahrungen im Ausland wirklich unverzichtbar seien, könne man sich sinnvoll darüber unterhalten, ob der Frauenanteil bei den Auslandsentsendungen zu gering sei. „Denn internationale Erfahrung kann man auch anders erwerben“, meint er.

Andreas Bittner wertet es bereits als Fortschritt, daß die Probleme von Frauen, in einer männlich geprägten Geschäftswelt auch internationale Erfahrungen sammeln zu müssen, in immer mehr Unternehmen bewußt seien. Seiner Kollegin Zabel genügt das bei weitem nicht: „Gewiß gibt es im Bereich der internationalen Personalentwicklung viele Probleme zu lösen, aber dieses ist ganz wesentlich. Es geht um die Chancen von Frauen in unserer Gesellschaft.“ Dafür sei es unabdingbar, daß Frauen eine faire Aufstiegschance in der Wirtschaft erhielten, meint sie.