piwik no script img

„Unser Schiff geht jetzt auf große Fahrt“

Franz Schönhuber wurde auf dem Deggendorfer Bundesparteitag der „Republikaner“ mit 90 Prozent als Steuermann wiedergewählt/ Ergebenheitsadressen statt Diskussion bei der Basis/ Rechtsextreme Töne von „völkischer Identität“  ■ Aus Deggendorf Bernd Siegler

„Ich habe meinen Lebenstest überstanden und bin überglücklich.“ Der 69jährige Bundesvorsitzende der rechtsextremen „Republikaner“ strahlt, gibt pathetische Worte von sich und läßt die stehenden Ovationen der 500 Delegierten in der Deggendorfer Stadthalle mit ausgestrecktem linken Arm über sich ergehen. Soeben ist er in der niederbayerischen Stadt — „auf der Sonnenseite des Bayerischen Waldes“ (Fremdenverkehrswerbung) — mit knapp 90 Prozent der Stimmen erneut zum Bundesvorsitzenden gewählt worden. Keine Überraschung eigentlich, sind Schönhubers Widersacher doch allesamt aus der Partei ausgeschlossen worden oder haben freiwillig das Weite gesucht. Trotzdem scheint der ehemalige Waffen-SS-Mann seinen Mannen noch immer nicht zu trauen. „Unsere Mandatsträger sollten nie vergessen, daß sie von der Partei aufgestellt worden sind, sie sind der verlängerte Arm der Partei und nicht umgekehrt.“

Schönhubers größte Sorge ist, daß sich ähnliches wiederholen könnte wie nach 1989, als nach den überraschenden Wahlerfolgen in Berlin und bei den Europawahlen die Reps sich innerparteilich zerfleischten, in der Wählergunst unter die Ein-Prozent-Marke rutschten und Parlamentarier ihr Mandat beim Parteiaustritt einfach mitnahmen. Jetzt will der 69jährige die Erfolge von Baden- Württemberg und Berlin bis zu den Bundestagswahlen 1994 konservieren, schließlich soll seine „Vision“ vom Einzug in den Bundestag Wirklichkeit werden. Damit das gelingt, hat Schönhuber seinen Entschluß vom letzten Bundesparteitag Ende Juni 1990 im niederbayerischen Ruhstorf revidiert und kandidierte erneut zum Parteivorsitz. Nur der Delegierte Lieberwirth aus Baden- Württemberg wagte es, ihn an seine Ankündigung zu erinnern und kritisch zu fragen, ob es denn „bei 20.000 Mitgliedern keine Alternative“ gebe. Er wurde schonungslos ausgebuht. Die weitere Aussprache über Schönhubers Rechenschaftsbericht erschöpfte sich in Ergebenheitsadressen für den Parteichef. Der dankte es ihnen vom Podium aus: „Hier unten sitzt das andere, das bessere Deutschland.“

„Unser Schiff geht jetzt auf große Fahrt“, tönte Schönhuber nach seiner Wiederwahl und sieht sich bereits als zukünftiger Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Der Augsburger Blumenhändler und bayerische Landesvorsitzender Wolfgang Hüttl ist felsenfest davon überzeugt, daß „1994 nichts mehr so sein wird wie vorher“. Um die Weichen für die „große Fahrt“ richtig zu stellen, wollen die Reps weg vom Geruch des Rechtsextremismus. „Mit Radikalinskis, Skins, Heil-Schreiern, die sich selbst Neonazis nennen, wollen wir nichts zu tun haben“, beschwört Schönhuber gleich zu Beginn seines eineinhalbstündigen Rechenschaftsberichts die Delegierten. Die Reps seien „nicht mehr der wilde Haufen von vor zwei Jahren“. Insbesondere um mehr Frauen für die Partei zu gewinnen, müsse man „im Ton moderater“ werden. Man müsse auf die „größere weiblichen Sensibilität“ Rücksicht nehmen. Vergessen sind solche Vorsätze aber schon am Ende seiner Rede, als der Rep-Chef wie in „alten“ Zeiten von der „geistigen Umweltverschmutzung und der Verluderung der Sitten“ spricht und gegen die „moralisch kaputte Medienhalbwelt“ hetzt. „Wir wollen keinen Pornostaat und daß Kinder gegen ihre Eltern aufgehetzt werden“, wettert er. Die „ständige Reise nach Canossa“ müsse ein Ende haben, „fester denn je“ sei Deutschland derzeit „an den Marterpfahl der Geschichte gefesselt“. Im Kampf gegen den „Nationalmasochismus“ ruft er die Kriegsgeneration auf, die Kinder „nicht länger den Pastoren und linken Junglehrern“ zu überlassen. Völlig im Jargon derer, die Schönhuber medienwirksam aus der Partei gejagt hat, fordert er die Rückgewinnung nicht nur der nationalen, sondern auch der „völkischen Identität“. Königsberg gehört da selbstverständlich mit dazu, die Karten würden ja „überall auf der Welt neu gemischt“.

Soziale Themen sollen Wähler mobilisieren

Damit das angestrebte Ziel der „Teilhabe an der parlamentarischen Macht“ erreicht werden könne, müßten die Reps, so Schönhuber, verstärkt soziale Themen aufgreifen und sich den Wählern daher als „Sozialpatrioten“ präsentieren. Dazu gehört auch die Agitation gegen die EG und die Maastrichter Verträge. Das dänische Beispiel als Vorbild, fordert die Partei einen Volksentscheid in Deutschland. Mit der Kampagne „Rettet mit uns die DM“ glaubt der wirtschaftspolitische Sprecher der Reps, der Starnberger Betriebswirt Alexander Hausmann, 81 Prozent der Deutschen aus dem Herzen zu sprechen. Für sein forsches Auftreten („Obacht, Theo Waigel, wir kommen“) wird der 40jährige auch gleich im ersten Wahlgang mit dem zweitbesten Ergebnis zu einem der stellvertretenden Bundesvorsitzenden gewählt. Vor ihm rangiert nur mehr der adrette baden-württembergische Arzt und Jurist Rolf Schlierer (37), der ob seiner autoritären Parteitagsführung und der ständigen Lobeshymnen seines Ziehvaters Schönhuber 94 Prozent der Delegierten hinter sich bringt. Auch der baden-württembergische Landesvorsitzende Christian Käs (32) und der Berliner Hermann Voss ziehen als Stellvertreter in den Bundesvorstand ein.

„Die richtigen Leute kommen jetzt“

Vorher hatten die Delegierten die Zahl der Stellvertreter von vier auf fünf erhöht, um mit Dr. Ekkehard Birkholz einen Vertreter aus „Mitteldeutschland“ in den Vorstand hieven zu können. Nach außen eine Demonstration für den hohen Stellenwert der neuen Bundesländer in der Partei — real jedoch eine Mogelpackung. Birkholz ist zwar Vorsitzender des 320 Mitglieder starken Rep-Landesverbandes Sachsen-Anhalt, doch bis Herbst 1991 hat der 59jährige als Studiendirektor in West-Berlin gelebt. Dann kehrte er in seine in den 50er Jahren verlassene Heimatstadt Frose zurück. In West-Berlin gehörte Birkholz 27 Jahre lang der SPD an. Jetzt sieht er für die Reps im Osten eine „riesengroße Chance“.

Das zweijährige „Trainingslager“ bis zu den Wahlen 1994 kostet Geld. Derzeit haben die Reps knapp über eine Million Mark auf Festgeldkonten und knapp 180.000 DM sofort verfügbar. Nicht eingerechnet sind die Wahlkampfkostenrückerstattungen aus den erfolgreichen Wahlen in Baden-Württemberg und Berlin. Der wiedergewählte Schatzmeister Klaus-Dieter Pahl zeigte sich mit diesem Ergebnis zufrieden, obwohl in den letzten zwei Jahren 650.000 Mark mehr ausgegeben wurden als eingenommen worden sind. Zusammen mit einem parteieigenen Jugendverband, einer Stiftung zur Schulung von Basis und Mandatsträgern und dem Zugang von renommierten Politikern wie den einstigen SPD-Oberbürgermeister von Würzburg, Klaus Zeitler, blickt Parteichef Schönhuber optimistisch in die Zukunft. „Die richtigen Leute kommen jetzt, wir liegen gut im Trend.“ Dabei zitiert er Meinungsumfragen, wonach die Reps derzeit bundesweit bei acht, in den südlichen Bundesländern gar bei 16 Prozent rangieren.

Den „etablierten Parteien“ gibt Schönhuber keine Zukunft. Der FDP schon gar nicht, aber auch die Union werde in Zukunft an den Reps nicht mehr vorbeikommen. Die CSU stehe vor der Wahl, „mit den Süssmuths, Geißlers und Blüms unterzugehen oder mit uns zu überleben“. Auf der kommunalen Ebene würden die Berührungsängste sich weiter abschwächen, prophezeiht der Rep-Chef. Die Praxis gibt ihm recht — zum Beispiel in Deggendorf. Dort ließ es sich CSU-Oberbürgermeister Dieter Görlitz nicht entgehen, den Reps per Brief ein „herzliches Grüß Gott“ auszusprechen und der Veranstaltung „viel Erfolg zu wünschen“.

Deggendorfs Juso-Vorsitzender Florian Pronold hat denn auch Sorge, daß Deggendorf zur „Geburtsstätte einer schwarz-braunen Bewegung“ werde, zumal die Reps ihren Programmparteitag im Herbst wieder in der Stadthalle durchführen wollen. Zusammen mit dem örtlichen DGB, der SPD und den Grünen initiierte Pronold ein „Deggendorfer Bündnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“. Es brachte jedoch in der 30.000-Einwohner-Stadt nur 150 Bürger zum Protestmarsch gegen den Rep-Parteitag auf die Beine. An der Spitze marschierte der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Glotz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen