Von einem Krieg nicht mehr bedroht

■ Wegen der starken militärischen Prägung der Internationalen Luftfahrt- und Raumfahrtausstellung auf dem Flughafen Schönefeld diskutierten Christen über die Abrüstung/ DDR-Rüstungsbetriebe stellen statt Panzer Container und Getriebe her

Schönefeld. Ein Drittel der Flugzeuge und Flugvorführungen auf der Internationalen Luftfahrt- und Raumfahrtausstellung (ILA), die diese Woche auf dem Berliner Flughafen Schönefeld veranstaltet wird, haben militärischen Charakter. Das hat die Gemüter erregt. Die Brandenburger Landesregierung hatte den Veranstalter gedrängt, den militärischen Anteil auf ein geringes Maß zu reduzieren. Sie fühlt sich jetzt hintergangen. Die Synode der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg arrangierte in der Schönefelder Dorfkirche ein Podium zum Thema Abrüstung.

Auf dem dortigen Friedhof — nur wenige Kilometer vom Ausstellungsgelände entfernt — liegen Hitlers Testpiloten begraben. Sie sind ab 1934 die Maschinen der Henschel- Werke zur Probe geflogen. 12.000 der Maschinen sind in Schönefeld gebaut worden.

Schönebergs Pfarrer Johannes Kutschbach sitzt deshalb besonders tief in den Knochen, wenn diese Tage die graulackierten Maschinen der Bundeswehr, der russischen Armee oder der Alliierten über das Dach seine Kirche donnern: »Ich wünschte mir eine friedliche ILA.«

Oberstleutnant Konrad Freytag erläuterte den Christen, die am vergangenen Sonntag die Schöneberger Kirche zu zwei Dritteln füllten, daß die Bundeswehr abrüste — von ehemals über 600.000 Soldaten auf 370.000 Soldaten bis Ende 1994. Und weil keiner auf die Idee kommen sollte, daß man die Armee auch auf »Null« reduzieren könnte, betonte Freytag den Sinn der verbleibenden Streitmacht. Eine Daseinsberechtigung ergebe sich aus dem gemeinsamen Bündnis mit den Nato-Partnern und aus dem Grundgesetz, das jedem Bürger Schutz verspreche. Letztendlich sei die Bundeswehr Garantin für die Durchsetzung von Politik.

Doch die etwa 60 Zuhörer wollten sich mit den Erklärungen nicht zufrieden geben. Wer Sicherheit verspreche, müsse auch erklären können, vor wem oder was gesichert werden soll, hieß es immer wieder aus dem Publikum. Verschiedene Zuhörer wendeten sich auch gegen die Freytag-These, daß das Militär einen Staat politikfähig mache. »Ich kann diese Ideologie als Frau nicht ertragen«, protestierte eine. Eine andere Frau fühlte sich an die Argumentation damaliger NVA-Vertreter erinnert.

Diese gibt es nun nicht mehr. Darüber hinaus sind durch die deutsche Vereinigung auch die Rüstungsbetriebe der ehemaligen DDR überflüssig geworden. Ulf Oetting, bis vor kurzem bei der Treuhand für die Abwicklung der NVA-Zulieferbetriebe zuständig, berichtete von der »weltweit radikalsten Konversion« — der Umstellung militärischer Fabrikation auf zivile Produktion. Doch ein Vorbild könne die Umstellung der Betriebe weder für die alten Bundesländer noch für die östlichen Nachbarn sein. Denn von den ehemals 43.000 Menschen, die in 31 Unternehmen im engeren militärischen Bereich beschäftigt waren, hätten nur noch etwa 12.000 ihren Arbeitsplatz. Die produzierten aber in der Tat keine Rüstungsgüter mehr.

In Brandenburg sei es lediglich in einem Fall geglückt, einen Betrieb erfolgreich umzustellen, berichtete der Wirtschaftsminister des Landes, Walter Hirche (FDP). Statt Panzer würde das inzwischen private Unternehmen Container und Getriebe herstellen. Angesichts der enorm hohen Arbeitslosigkeit sei es ihm aber auch sehr wichtig, Arbeitsplätze zu erhalten.

Abrüstung schafft für viele Menschen eine neue Bedrohung — den möglichen Verlust ihres Einkommens, brachte Ulf Albrecht, Hochschullehrer für Friedens- und Konfliktforschung an der Freien Universität, das Problem auf den Punkt. Ohnehin fühlten sich die Bürger nicht mehr von einem Krieg bedroht, sondern hätten eher Ängste vor sozialen Problemen und den Folgen der Umweltschäden. An dieser Stelle sei die Politik gefordert, die die Haushaltsmittel dementsprechend umverteilen müsse.

Das Publikum war von der Veranstaltung enttäuscht. Man habe den Eindruck, daß weder bei der Bundeswehr noch in der Politik oder bei der Industrie ein Wille zur Abrüstung vorhanden sei, sagte ein Vater. Doch Albrecht widersprach. Auch Herr Hirche höre auf Minderheiten — selbst wenn er es nicht zugeben wolle.

Die ILA sei aus Hannover weggegangen, weil der dortige Oberbürgermeister nicht alle zwei Jahre dieselben Auseinandersetzungen haben wollte. Wenn man eine zivile Luftfahrtausstellung wolle, könne man dies durchsetzen. Dirk Wildt