Plüschiger Kommunenrock — Schwer stammtischkompatibel

■ Die Rockband »Bobo in White Wooden Houses« kommt ins Loft

»Sie gehörte zu denen, die, wenn sie nicht heftige Leidenschaften einflößen, doch ein allgemeines Gefallen zu erregen geschaffen sind. Eine leicht aufgebaute, nett gebildete Gestalt, eine reine gesunde Natur und die daraus entspringende Lebenstätigkeit, eine unbefangene Behandlung des täglich Notwendigen, das alles war ihr zusammen gegeben.«

An dieses Bild aus seinem Leben erinnerte sich einst der greise Goethe, doch Lotte lebt.

Sie hat Nähkästchen und Putzlappen beiseite gelegt und ihren Zukünftigen, den Kestner, in die Wüste geschickt; sie ist aus dem stillen Weimar in eine lebensfrohe Hippiekommune nach Berlin gezogen; sie hat die weißen Wallewallegewänder des väterlichen Kirchenchors gegen Flickenjeans und flippige Hemden aus Amsterdam getauscht. Selbst den Namen hat sie gewechselt: aus Lotte wurde Bobo. Ist sie wirklich noch Werthers Echte?

Nun, Lotte hat sich verändert. Früher kiekste sie christliche Lieder bürgernah auf dem Lande, heute kreist sie als Glitzersternchen am Pophimmel und singt plüschige, aber todschicke Rainbirds-Balladen. Zeitgemäßer Rock, der mehr Jungs als Mädchen von den Stühlen reißt. Manchmal kullert Bobo dann ganz verschmitzt mit den großen Augen, wenn sie die Wahlverwandschaften von der Insel memoriert: Kate Bush, die Sugarcubes, T'Pau, und keiner hat's gemerkt, weil Bobo plötzlich schon wieder bei etwas völlig anderem angelangt ist, bei Blues, Boogie oder Brainstream. Sie flattert immer her und hin. Nur wenn sie träumt, hört man tief in ihr Lotte von weither klagen: »Wärest du doch bei deinem Werther geblieben, du garstige Gans. Jetzt ist er tot, oh weh, oh weh!« Aber Bobo wacht meistens noch rechtzeitig auf, bevor Lotte sie mit dem inneren Klopstock plagt. »Alles Quatsch«, juchzt sie dann auf, jauchzt und frohlockt: »Weimar, das war mal.«

Leider hapert es trotz aller Nettigkeiten, die die Dame verströmt, ein wenig an der Musik. Brav und sauber, Postfolk und Prenatal, manchmal aber auch ganz einfach aalglatt in Benneton-Color, so wie melodischer Rockpop eben klingt. Schwer stammtischkompatibel. Also lieber doch mehr Lotte zeigen. Harald Fricke

Bobo in White Wooden Houses, heute abend um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz 5, Tiergarten