Hauen und Stechen bei den Reps

■ Vor ihrem Landesparteitag verzeichnen die »Republikaner« bereits zwei Rücktritte/ Gegenseitige Beschimpfungen/ Der Stuhl des Landesvorsitzenden Müller wackelt/ Gerangel um Stadtratsposten

Berlin. Noch auf der letzten Großkundgebung vor den Berliner Kommunalwahlen hatte der Bundesvorsitzende der »Republikaner« Franz Schönhuber die »Erneuerung Deutschlands« vorausgesagt. Doch der Durchmarsch der rechtsextremen Partei fiel mit fast zehn Prozent im Westen und knapp über fünf Prozent im Osten am 24. Mai weitaus bescheidener aus, als von vielen prognostiziert. Wenige Wochen danach scheint die Partei — wie einst nach ihrem sensationellen Wahlerfolg von 1989 — die Lust am gegenseitigem Zerfleischen wiederentdeckt zu haben:

Zuletzt nahm am Donnerstag letzter Woche der Kreisvorsitzende von Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain, Heiko Heide, seinen Hut. Sein Vorwurf: Der Vorstand zeichne sich durch »Arroganz gegenüber den Ost-Kreisverbänden« aus, habe zudem »Fehlentscheidungen in Sach- und Personalfragen« gemacht. Ins gleiche Horn hatte schon vor zehn Tagen Michael Häusler als Pressesprecher und Mitglied des Landesvorstandes gestoßen.

Wegen »nicht mehr hinnehmbarer Arroganzen« des Landesvorsitzenden Werner Müller und des Landesgeschäftsführers Sven Thomas Frank trat er von seinen Ämtern zurück. Häusler beschuldigte sie, an ihn adressierte Post geöffnet und Telefaxe vorenthalten zu haben. Müller wiederum strengte Anfang Juni gegen den früheren amtierenden Kreis- Geschäftsführer von Mitte, Prenzlauer Berg und Friedrichshain, Wolf-Dieter Erche-Opitz, ein Parteiausschlußverfahren an.

Hintergrund: Meinungsverschiedenheiten über die Wahlkampforganisation und verbale Attacken von Erche-Opitz gegenüber der einzigen Frau im Landesvorstand, die er intern als »dusselige Kuh« beschimpft hatte.

Für Frank ist Erche-Opitz ein »Querulant«, der »zur politischen Profilierung nichts beitragen kann und sich nun kapriziert, um sich in den Vordergrund zu spielen«. Es sei klar, daß nach dem »guten Wahlergebnis« nun von einigen versucht werde, »Minen zu zünden, um uns Schwierigkeiten zu machen«.

Hinter den gegenseitigen Verbalinjurien versteckt sich jedoch ein handfester Streit um die Zusammensetzung des künftigen Landesvorstandes. Im Mittelpunkt der Kritik steht dabei der Vorsitzende Müller. Der frühere Sozialdemokrat, einst unter Willy Brandt und Helmut Schmidt Ministerialdirektor und Chef der Abteilung Inland im Bundespresseamt, will auf dem Landesparteitag am 20. Juni wiedergewählt werden. Eine von Häusler geforderte Mitgliedervollversammlung lehnte der Vorstand bereits ab. Aus gutem Grund, wie Häusler vermutet: »Da läuft Müller Gefahr, abgewählt zu werden.« Daß entgegen der Satzung die Einladungen an die rund 100 Delegierten des Parteitags nicht 14 Tage vorher abgeschickt wurden, ist für Erche-Opitz hingegen Kalkül: »Da bleibt dann kaum noch Zeit, vorher vernünftige Anträge zu formulieren.«

Trotzdem wird Müller, wie es intern heißt, der Wind ins Gesicht blasen — zahlreiche Gegenkandidaten sind im Gespräch: neben Häusler auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Hermann Voss.

Auch der Kreisvorsitzende von Spandau, Peter Rieger, hält seine eigene Kandidatur für »möglich«. Scharf geißelt er Müllers Schlingerkurs bei der beabsichtigten Wahl von Bezirksbürgermeistern. Innerhalb einer Woche hatte Müller seine Unterstützung für SPD-Kandidaten zugunsten der CDU abgeändert.

»Bar jeder Logik« nennt Rieger diesen Vorgang: »Wir sind doch gegen die Etablierten angetreten und können die jetzt nicht wieder in die Verantwortung wählen.« Das sei »eine Verwässerung unserer ursprünglichen Ziele«.

Auch Müllers ständige Beteuerungen, mit den Reps von 1989 nichts mehr gemein zu haben, erteilt Rieger eine Absage: »Sicherlich haben wir einen Reinigungsprozeß durchgemacht, aber vom Programm her bleiben wir die alten Republikaner.«

Hinter den Kulissen geht derweil das Gerangel um vier Stadtratsposten, die den REPs im Westen rechtlich zustehen, weiter. Gehandelt werden unter anderem Frank (Tiergarten), Seifert (Reinickendorf) und Voss (Wedding) — selbst Müller ist im Gespräch. Besonders chaotisch geht es in Neukölln zu: Hier streiten sich um einen Posten gleich sieben Personen: sechs Bezirksverordnete und der Kreisvorsitzende Bernd Bruschke. Statt sich um Leute »mit fachlicher Kompetenz« zu bemühen, so vermutet Erche-Opitz, gehe es »um finanzielle Absicherung«. Entgegen der Beteuerungen der Spitze gebe es »keine qualifizierten Leute — da müßte ich eine halbe Stunde lang nachdenken, und mir würde kein Name einfallen«.

Auch innerhalb der Partei, die derzeit rund 1.350 Mitglieder zählt, liegen die Strukturen brach. Zwar wird Müller nicht müde, von einem steigenden Interesse und Mitgliederzuwachs zu berichten. Aber von einem organisatorischen Zusammenhang kann keine Rede sein. Rieger hält es schon für »absurd«, von einem intakten Landesverband zu sprechen: »Der besteht höchstens aus einigen funktionierenden Kreisverbänden.« Zwischen Leitung und Basis herrsche »Funkstille«, sei seit längerem »ein Knoten in der Leitung«.

Der Ex-»Republikaner« Thorsten Thaler, einst Pressesprecher in Berlin und heute bei der »Deutschen Liga für Volk und Heimat«, wagt angesichts des desolaten Zustands der Reps schon jetzt eine Prognose: »Alles spricht dafür, daß sich das Ganze in sechs Monaten erledigt hat.« Severin Weiland