Schweden grinsten Dänen nieder

Schwedens Fußball-Nationalmannschaft gewinnt, mit dem fröhlichsten Angriff der EM ausgestattet, ihr Spiel gegen Dänemark mit 1:0 und versetzt das Land in helles Entzücken  ■ Aus Stockholm Matti Lieske

Schwedische Fotografen lieben große Gesten, und so nötigten sie den sonst eher spröden Trainer Tommy Svensson nach dem 1:0-Sieg gegen Dänemark, sich neben den überraschten Torschützen Tomas Brolin zu stellen und ihm liebevoll auf den Kopf zu patschen. Der solchermaßen Getätschelte schien nicht allzu erfreut über diese Annäherung des ehemaligen Grundschullehrers, plauderte ungerührt weiter und war erst nach mehrmaliger Aufforderung bereit, seinen Coach auf fotogene Art anzulächeln.

Sonst fällt Brolin das Lächeln allerdings nicht allzu schwer. Mit seinem runden, gutmütigen Teddybärengesicht sieht er aus wie ein Sechsjähriger, den man aus Versehen in ein viel zu großes gelbes Trikot gesteckt hat. Aber er ist schon 22, spielt seit zwei Jahren in Parma und parliert weltgewandt, strahlend und fast simultan auf italienisch, englisch und schwedisch. Mit Mönchengladbachs Edelreservist Martin Dahlin bildet er den fröhlichsten Angriff dieser EM, die beiden scheinen sich auf dem Spielfeld köstlichst zu amüsieren.

Dazu haben sie auch allen Grund. Dahlin, der von Anfang an spielen durfte, weil ihm die Dänen liegen und diese schreckliche Angst vor ihm haben, nachdem er im letzten Länderspiel zwei Tore gegen sie geschossen hat, war eine stete Geißel für die kantigen und leicht unbeweglichen Abwehrspieler Kim Christofte, Kent Nielsen und Lars Olsen. Der flinke Spieler aus Malmö, der nicht nur wegen seiner dunklen Hautfarbe an den frühen Erwin Kostedde gemahnt, entwischte seinen Bewachern ein ums andere Mal, hatte selbst mehrere gute Torchancen, seine allerbeste Szene jedoch in der 59. Minute, als er sich auf dem rechten Flügel glänzend durchsetzte. „Martin spielte nach innen“, erinnert sich Brolin bruchstückhaft an diesen denkwürdigen Moment, „Schwarz berührte den Ball, ich hielt den Fuß dran, und plötzlich war er drin.“

Ein hochverdientes Tor für die Schweden, die sich von Anfang an um offensives Spiel bemüht und, vor allem in der zweiten Halbzeit, das Mittelfeld im Griff hatten. Die Dänen kamen nicht so zum Zuge wie beim 0:0 gegen England, lediglich der schnelle und durchsetzungsfähige Flemming Povlsen vermochte es, die Schweden in Verlegenheit zu bringen, war im entscheidenden Moment aber doch immer mehr mit seinem Kaugummi als mit dem Ball beschäftigt. Pech hatten die Kriegsgewinnler allerdings, als der schwedische Torwart Ravelli kurz vor der Halbzeit einen hervorragend geschossenen Freistoß von Christofte gerade noch um den Pfosten lenkte.

Nach dem 0:1 besaßen die Dänen noch einige Torchancen, aber dem Team von 1992 fehlt eindeutig ein Goalgetter vom Schlage eines Elkjaer-Larsen. Der eingewechselte Torben Frank vom Lyngby Boldklubb stand zweimal nur trantütig rum, als der Ball gefährlich vor das schwedische Tor kam. Auf der anderen Seite konterten die Schweden geschickt, und Brolin hatte kurz vor Schluß sein zweites Tor auf dem Fuß. Aus fünf Metern schoß er jedoch den auf der Linie querliegenden Christofte an. „Ich hab's versaut“, gab er zu, „aber der eine Treffer hat ja gereicht.“ Diesen widmete er auf Anfrage italienischer Reporter sogleich „meinen Freunden in Parma“ — schließlich weiß er, was sich in der Liga Nazionale gehört — und war vor allem froh, daß er dieses Mal eine offensivere Rolle spielen durfte als im Match gegen Frankreich: „Es ist schön, wenn du den Ball haben kannst.“ Trotz des Sieges hält Brolin sein Team immer noch für den „Underdog des Turnieres“ und ist sich bei dieser Tiefstapelei einig mit seinem Trainer. Tommy Svensson: „Unsere Chancen, Europameister zu werden, sind sehr klein.“

Ganz anders sehen das die schwedischen Fans. Noch lange ließen sie ihre Nationalhymne „Du gamla, du fria“ in den vollmondhaltigen Stockholmer Nachthimmel schallen. „Du Alte, du Freie, du Berggipfel im Norden“, sangen sie immer wieder begeistert, und die Lobpreisung galt diesmal keineswegs den Bergen, Wäldern und Seen ihres Landes, sondern Tomas Brolin, Martin Dahlin und ihrer wackeren Mannschaft.

Dänemark: Schmeichel (Manchester) — Olsen (Trabzonspor) — Nielsen (Aarhus), Christofte (Bröndby) — Sivebaek (Monaco), Vilfort (Bröndby), Jensen (Bröndby) — 61. Larsen/ Lyngby), Laudrup (München), Andersen (FC Köln) — Povlsen (B. Dortmund), Christensen (Schalke — Frank/ Lyngby).

Zuschauer: 28.000, Tor: 1:0 Brolin (59.)

Schweden: Ravelli (Göteborg) — Nilsson (Sheffield) Eriksson (Norrköping), Andersson (Malmö), Björklund (Brann) — Ingesson (Mechelen), Thern (B. Lissabon), Schwarz (B. Lissabon), Limpar (A. London — 90. Erlingmark/ Örebro SK) — Dahlin (Mönchengladbach) — 77. Ekström/Göteborg), Brolin (Parma).