Waffenstillstand in Sarajevo?

■ In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo fielen am Montag nur wenige Schüsse/ Serben Bosniens wollen Zugang zur Adriaküste freikämpfen/ Erneut Demonstrationen gegen Milosevic

Sarajevo/Belgrad (afp/dpa/taz) — Ab Montag morgen, 6 Uhr, sollten in Sarajevo die Waffen schweigen. So hatten es die Vertreter der Regierung von Bosnien-Herzegowina und die Führer der serbischen Einheiten am Sonntag beschlossen. Mit Erfolg, so scheint es, denn zumindest in den ersten Stunden nach Inkrafttreten des Waffenstillstandsabkommens fielen in der bosnischen Hauptstadt nur vereinzelt Schüsse, wurden lediglich auf dem Hrano-Berg einige Granaten abgefeuert. Im Süden der Republik, in Mostar, dauerten die Kämpfe allerdings an. Radio Sarajevo berichtete, daß die kroatischen Streitkräfte jetzt auch das von den Serben kontrollierte linke Flußufer der Neretva, die durch die Stadt fließt, erobert haben.

Der Waffenstillstand in Sarajevo geht auf die Initiative des Führers der bosnischen Serben, Radovan Karadic, zurück. In einem Brief an UNO- Generalsekretär Ghali hatte dieser nicht nur um die Entsendung von 800 UNO-Soldaten gebeten. Zugleich stimmte er auch der Forderung zu, die serbischen Einheiten aus einem Umkreis von 20 Kilometern um den Flughafen von Sarajevo zurückzuziehen. Dadurch könnte der seit Wochen blockierte Flughafen wieder für Flüge geöffnet und dringend benötigte Nahrungsmittel und Medikamente in die Stadt gebracht werden.

Und noch in einem dritten Punkt zeigte Karadic Entgegenkommen. In einem weiteren Schreiben, gerichtet an den für Jugoslawien zuständigen EG-Vermittler José Cutileiro, brachte er seine Bereitschaft zur schnellstmöglichen Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen den drei Volksgruppen Bosnien-Herzegowinas zum Ausdruck.

Kampfentschlossen gab sich dagegen der Serben-Führer der Herzegowina, Milorad Bojovic. Er kündigte an, daß die serbische Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina alles daransetzen werde, um ihr Siedlungsgebiet bis zur Adriaküste auszudehnen: „Die serbische Republik Bosnien muß ans Meer stoßen, sonst wird es niemals Frieden geben.“ Doch dieser „Frieden“ wird nur mit neuen Opfern erkämpft werden können: Die beanspruchten Gemeinden Capljina und Neum werden zur großen Mehrheit von Kroaten bewohnt.

Während somit zumindest die Serben in Bosnien ihre Verhandlungsbereitschaft demonstrieren, wächst in Belgrad die Opposition gegen Präsident Slobodan Milosevic. Auch am Montag forderten rund 10.000 StudentInnen im Zentrum der serbischen Hauptstadt seinen Rücktritt, in Sprechchören und auf Spruchbändern riefen sie nach einer „Regierung der nationalen Einheit“. Diese soll zunächst von der Opposition geführt werden, nach Neuwahlen soll ein verfassunggebendes Parlament zusammentreten.

Die Proteste gegen Milosevic haben diesen bisher immerhin zum Nachdenken gebracht. Nachdem er zunächst als Kandidat für die Wahl des Präsidenten Rest-Jugoslawiens genannt wurde, stand am Montag nicht fest, ob er tatsächlich kandidieren werde. Außerdem bewerben sich der serbische Schriftsteller Dobrica Cosic und der montenegrinische Politiker Svetozar Marovic um das höchste Amt in dem nur noch aus Serbien und Montenegro bestehenden jugoslawischen Staat.

EG vertagt Anerkennung Mazedoniens

Luxemburg (afp) — Die Staaten der Europäischen Gemeinschaft hoffen auf einen Erfolg der UN-Bemühungen um die Öffnung des Flughafens von Sarajevo für humanitäre Aktionen. Dies sei der „einzige Punkt“, in dem man derzeit konkret helfen könne, sagte Bundesaußenminister Klaus Kinkel am Montag beim EG- Außenministertreffen in Luxemburg. Nicht weitergekommen sind die Minister bei ihren Beratungen über die Anerkennung Mazedoniens als unabhängigen Staat. Griechenland verlangt weiterhin, daß die frühere jugoslawische Teilrepublik einen anderen Namen wählt, der mazedonische Außenminister lehnt es ab, daß die EG über den Namen seines Landes entscheidet. „Sehr besorgt“, so Kinkel, zeigten sich die Zwölf über die Lage im Kosovo. Um den Ausbruch eines Konfliktes zwischen den dort lebenden Albanern und Serbien zu verhindern, solle die KSZE dort präventiv aktiv werden. her