Stolpe verweigert Holzflugzeug die Ehre

Auf der internationalen Flugzeugschau ILA nimmt das Jäger-90-Modell die Zukunft der Luft- und Raumfahrtindustrie vorweg: Höhenflüge sind in Zeiten militärischer Abrüstung nicht zu erwarten  ■ Aus Berlin Erwin Single

Als die Kampfflugzeuge Mig-29 und F-16 am Sonntag vom Berliner Flughafen Schönefeld abhoben, mußten die Vertreter der Deutschen Aerospace (Dasa) tatenlos zuschauen. Das Schaufliegen dürfte die Herren des Daimler Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzerns mächtig geärgert haben, denn ihr Wundervogel Jäger-90 ziert nur als Holzattrappe die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA). Und während die Veranstalter des eine Woche dauernden Flugspektakels auf die historische Kontinuität sowie die wirtschaftliche Signalwirkung verweisen, hat der militärische Charakter der Flugschau die Kritiker auf die Barrikaden gebracht. Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe sagte gestern den Eröffnungsrundgang ab — er wollte partout nicht zusammem mit Finanzminister Theo Waigel und Verkehrsminister Günter Krause an dem Jäger-90-Modell vorbeiziehen, dessen Aufstellung sich die Potsdamer Landesregierung vehement verbeten hatte.

Die knapp 500 Austeller aus 22 Ländern haben derzeit wenig Grund zum Jubeln. In den Abrüstungsturbulenzen sind die Rüstungsaufträge zusammengeschrumpft, neue Prestigeprojekte, etwa in der Raumfahrt wurden wegen chronischen Geldmangels vorerst gestoppt. Die als staatliche Rüstungshoflieferantin stets gehätschelte Luft- und Raumfahrtbranche, die vor Beginn des Ost-West-Tauwetters weit mehr als die Hälfte ihrer Umsätze mit militärischen Gütern bestritt, muß sich nach neuen Märkten umsehen.

Doch auch der zivile Bereich ist durch die Überschuldung der Fluggesellschaften unter Druck geraten. Die Boeing Company, der größte Flugzeughersteller der Welt (Umsatz: 29 Mrd. US-Dollar), wird in diesem Jahr mit 8.000 Arbeitsplätzen fünf Prozent ihrer Belegschaft abbauen. Der Grund: Das US-Raketenprogramm und die B-2-Bomberpläne wurden zusammengestrichen, die Flugzeugbestellungen im Zivilbereich haben sich halbiert. Zuletzt stornierte der Großabnehmer United Airlines die Beschaffung von 122 Flugzeugen. Nicht besser erging es dem US-Konkurrenten McDonnell-Douglas (Umsatz: 18,5 Mrd. US-Dollar), der sich aus abrüstungspolitischen Gründen verstärkt dem Verkehrsflugzeugbau zuwendet und mit der dreistrahligen MD-12 bald dem Boeing-Jumbo und Airbus- Großliner A-340 Paroli bieten will.

Eine ungewohnte Agressivität ist derzeit Trumpf unter den Flugzeugherstellern. Im Wettlauf um Marktanteile (Boeing 64 Prozent, Airbus 21 und McDonnell 18 Prozent) stützen sich die Großen auf windige Prognosen. So malte Airbus-Direktor Heribert Flosdorff auf der ILA die Zukunftsmärkte rosig aus: Bis ins Jahr 2010, so ihre Expertise, würden rund 12.000 neue Flugzeuge gebraucht. Mit einer kompletten Flugzeugfamilie, die vom Regionaljet bis zur A-340 reicht, wollen die Airbus Industries (Umsatz: 7,4 Mrd. US- Dollar) den Amerikanern weitere Weltmarktanteile abjagen. Fraglich ist nur, ob sich bis dahin der Wettbewerb nicht längst zu einem Handelskrieg ausgeweitet hat: Laut einer EG-Studie hat das europäische Airbus-Konsortium 26 Milliarden US- Dollar an staatlichen Zuschüssen erhalten; bei der US-Konkurrenz sollen es rund 20 Milliarden gewesen sein. Der gefundene Kompromiß zwischen der EG und den USA, künftig die Hilfen auf 33 Prozent der Entwicklungskosten und höchstens vier Prozent der Umsätze zu begrenzen, steht auf tönernen Füßen.