Deutsches Ausländergesetz disqualifiziert Menschen

■ Antirassistische Arbeitsmarktpolitik: Bundesrepublik Schlußlicht bei der gesetzlichen Verankerung des Diskriminierungsverbots ausländischer ArbeitnehmerInnen/ In den USA, Großbritannien und den Niederlanden ist die Gesetzgebung schon seit den 60er und 70er Jahren fortschrittlicher

Berlin (taz) — 4,8 Millionen ausländische ArbeitnehmerInnen leben in der Bundesrepublik — das sind 7,8 Prozent der Beschäftigten. In den Niederlanden bilden ImmigrantInnen 5,5 Prozent der Berufsbevölkerung— während ihr Anteil an der totalen Arbeitslosigkeit mehr als 15 Prozent beträgt. In einigen US-amerikanischen Städten sind bis zu vierzig Prozent der schwarzen Jugendlichen arbeitslos — in England ist jeder vierte pakistanische, aber nur jeder zwölfte weiße Engländer ohne Arbeit. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Verschiedene Länder gehen — mehr oder minder engagiert — verschiedene Wege, um ausländische ArbeitnehmerInnen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Antirassistische Arbeitsmarktpolitik im Vergleich der USA, Großbritannien, Niederlande und der Bundesrepublik“ — unter diesem Motto wurden am Wochenende im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ Konzepte und Wege diskutiert. „Not whether, but how“ — nicht über das Ob, sondern über das Wie müsse man reden, forderte Robin Richardson, Sozialwissenschaftler aus London.

In den USA, Großbritannien und den Niederlanden wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten Ansätze entwickelt, Gleichberechtigung zu erreichen. 1964 in den USA und 1976 in Großbritannien wurde ein Verbot direkter wie indirekter Diskriminierung in das Gesetz eingefügt, das auch Arbeitgeber bindet.

Wenn eine Anforderung in der Bewerbung eine ethnische Gruppe härter trifft als andere, ist sie in Großbritannien unzulässig. In den Niederlanden muß im Zweifelsfall der Arbeitgeber nachweisen, daß die Nicht-Einstellung eines ausländischen Arbeitnehmers nichts mit dessen Herkunft zu tun hat. Außerdem müssen dort Firmen mit mehr als 35 Beschäftigten jährlich einen Bericht über die ethnische Zusammensetzung ihrer Belegschaft vorlegen.

Ein weiterer Bestandteil antirassistischer Arbeitsmarktpolitik ist „positive action“ — das ist unter anderem eine deutlichere Ausschreibung von Jobs auch für ethnische Minderheiten —, nicht um sie zu bevorzugen, sondern um ihnen eine gleiche Chance zu geben.

Die Wirkung all dieser rechtlichen Instrumente ist umstritten. Die in den 60er und 70er Jahren vielverspechend begonnenen Programme zur Integration von Schwarzen in den Arbeitsmarkt seien unter Reagan und Bush so gut wie eingestellt worden, berichtete Elizabeth Robinson, amerikanische Journalistin. Unter dem Druck der Rezession seien weder „positive action“ noch Antidiskriminierungsgesetze besonders effektiv. Insbesondere die Gewerkschaften, so Richardson, seien bisher wenig interessiert, an der Durchsetzung gleicher Chancen mitzuarbeiten.

„Die moderne Firma ist multi- ethnisch“ — Chan Choenni von der Universität Utrecht setzt auf positiven Unternehmergeist. „Wir dürfen nicht immer nur auf Defizite aufmerksam machen.“ Neben der Antifa-Bewegung sei auch eine bürokratische Gegenmacht notwendig.

Doch auch die ausländischen Arbeitnehmer müßten über „einige Fertigkeiten“ verfügen und sich integrieren — die Sprache sei dazu eine wichtige Voraussetzung. „Die Kosten-Nutzen-Rechnung kann nicht unsere sein“, protestierte Aliza Fuß von der Internationalen Liga für Menschenrechte. Gülay Toksöz vom feministischen Berliner Immigrantinnenprojekt „Nozizwe“ verwies darauf, daß die Arbeitgeber versäumt hätten, der ersten Generation von TürkInnen die deutsche Sprache beizubringen. Dies könne man jetzt nicht den Immigrantinnen vorwerfen. Arbeitsmarktpolitische Konzepte wie in den USA, Großbritannien und den Niederlanden gibt es in Deutschland kaum. Sie könnten allerdings auch erst der zweite Schritt sein, so Toksöz. So lange den ImmigrantInnen per Ausländer- oder Arbeitsförderungsgesetz eine Arbeitserlaubnis erteilt oder verweigert werden könne, sei eine Gleichberechtigung ohnehin nicht zu erreichen. Auch die rechtliche Trennung zwischen EG- und Nicht-EG-Angehörigen werde ab 1993 zu einer weiteren Ungleichberechtigung führen, fürchtet Toksöz. Die Regelungen in den USA und Großbritannien seien kein absolutes Vorbild, aber doch in vielem besser. „Zumindest gibt es kein Ausländergesetz, das Menschen so disqualifiziert wie hier.“ Jeannette Goddar