KEINE MACHT DEN DROHNEN Von Walter Glatt

Richter Nescovic aus Lübeck hatte wohl in ein Wespennest gestochen, als er sich vor ein paar Monaten weigerte, jemanden wegen Haschischbesitzes zu verurteilen. Denn da ist — unter anderen— die legale „harte“ Ein- und Abstiegsdroge Alkohol mit ihren Abertausenden jährlicher Opfer und dem nicht zählbaren menschlichen Leid. Den Leuten dämmerte bereits, wie krank eine Gesellschaft sein muß, die den besonnenen Kiffer kriminalisiert und demütigt, den alkoholisierten Schläger, Totschläger, Vergewaltiger, Kindesmißhandler und Mörder jedoch mit dem Hätschelautomatismus der ewigen „mildernden Umstände“ bedenkt. Nun schlagen — kein Wunder — diejenigen zurück, die vom perversen Istzustand profitieren: Staat, Polizei, Drogenbekämpfer und Alklobby. Mit einer sogenannten „Presseinformation“ wollen sich die finanzstarken Macher der „Keine Macht den Drogen“-Kampagne in Erinnerung rufen. Unter dem Titel „Haschisch und Marihuana — wirklich harmlose Drogen?“ bemüht sich die vor zwei Jahren ins Leben gerufene Initiative (Schirmherr: Kohl), die alten Lügen über Cannabis wieder in die Köpfe zu schmieren.

Da ist beispielsweise zu erfahren, daß der Wirkstoff der Hanfpflanze noch nach einigen Wochen reaktiviert werden und „einen neuerlichen Rausch auslösen“ kann. Als Grund für diesen ausgemachten Quatsch wird „die lange Verweildauer“ des Wirkstoffes „im Körper“ angegeben. Dabei scheuen sich die Spezialisten nicht, der Alklobby ein Kußhändchen zuzuwerfen: „Zum Vergleich: Alkohol wird innerhalb von Stunden vollständig abgebaut.“ Prost! Überrascht erfährt der Kiffer, daß seine Phantasie im Rausch „gelockert“ ist. Von „Denkstörungen, Verwirrtheit“, ja von „Gedankenstarre, Angstvorstellungen bis hin zu Geistesstörungen (Haschischpsychosen)“ ist die Rede. Wie zur Beweisführung legen die Münchner Lallbacken noch einen besonders dümmlichen Auszug aus dem Roche Lexikon Medizin bei, der von einem „unbekämpfbaren motorischen Betätigungsdrang“ beim Kiffer zu berichten weiß. Danach entwickelt sich dann — quasi als Endstadium im Leben des Hasch-Junkies — der „Cannabismus; mit zur Gangrän führender Arteriitis, körperlichem und geistigem Verfall“.

Nur gut, daß „Keine Macht den Drogen“ „auf positive Werte wie Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Lebenslust, auf Teamgeist und Zusammenarbeit“ setzt — „Werte, auf die es im Sport besonders ankommt“. Deshalb freuen sich die Kampagneros, daß echte Sportlerpersönlichkeiten wie Lothar Matthäus, Karl-Heinz Rummenigge und sogar Steffi Graf „wichtige Botschafter“ für „Keine Macht den Drogen“ geworden sind. Der DFB und andere Sportbünde, ja sogar der deutsche Eishockey-Bund entwickeln ein Herz fürs Cleane, heißt es. Okay, nicht immer, wie wir wissen, aber immer öfter. Und wer weiß, vielleicht werden bald Altstars wie Gerd Müller, Udo Lattek oder Harald Juhnke eine solche Aktion unterstützen. Puuuh! Wie sagte kürzlich der bayrische Innenstaatssekretär Günther Beckstein nach der Auswertung einer „Studie“ ausgerechnet des bayrischen LKA über die Gründe für den enormen Anstieg der Opfer harter Drogen (natürlich ohne Alk) in Bayern: „In 59,8 Prozent aller Todesfälle ist Haschisch als Einstiegsdroge nachgewiesen worden.“ Fazit des Herrn Beckstein: „Haschisch ist das Tor zur Hölle.“