Maids, Made in the Philippines

Koloniales Erbe, Kultur und Politik machen Menschen zum Exportschlager des südostasiatischen Landes  ■ Von Gebhard Körte

Eigentlich wollte Helen ein paar Jahre hart arbeiten, jeden Penny sparen und dann in ihr Land zurückkehren, um ein Geschäft zu eröffnen. Doch nach mehr als 15 Jahren ist die inzwischen 41jährige Filipina immer noch als Hausangestellte in London, einsam und verbittert: „Sieh mich an, ich bin schon alt, und noch immer muß ich jeden Monat 100 Pfund nach Hause schicken, um die Ausbildung meiner Nichten und Neffen zu finanzieren. An Heirat war unter solchen Umständen nicht zu denken. Aber ich hatte als einzige die Gelegenheit, nach England zu gehen, und es ist meine Pflicht, meine Familie zu unterstützen.“

Immer mehr philippinischen Frauen ergeht es wie Helen. Allein in Europa sind mehr als eine Viertelmillion Filipinas beschäftigt, vor allem in Italien, Spanien und Großbritannien. So unterschiedlich ihre individuelle Situation je nach Land, Beschäftigungsstatus und Arbeitgeber sein mag, in der Regel arbeiten sie länger, verdienen weniger und sind anfälliger für weitere Formen von Ausnutzung und Mißbrauch als ihre einheimischen KollegInnen. Denn Anwerbestopps und zahllose Restriktionen verhindern ihre legale Einreise und drängen sie in die Schwarzarbeit ab.

Schon in der philippinischen Hauptstadt versuchen die diplomatischen Vertretungen Europas mit Visumzwang, strikten Vorschriften, langwierigen Verfahren und ein wenig Aufklärung die Zahl der Reisenden zur „Alten Welt“ zu reduzieren. „Vorsicht! Frauenhandel!“ warnt beispielsweise die deutsche Botschaft in Manila. Die Hürden für eine Einreisegenehmigung sind hoch. Fast alle Antragstellerinnen werden grundsätzlich verdächtigt, langfristig bleiben zu wollen. Viele Filipinas versuchen es deshalb gar nicht mehr auf dem üblichen Weg. Sie vertrauen sich Menschenhändlern an, die sie nicht länger durch eine der westeuropäischen Drehscheibe wie den Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt, sondern über osteuropäische Länder einschleusen. Ihr Flugticket ist „One-Way“. In Containern, in Zugwaggons zwischen Dach und Deckenverkleidung oder auch zu Fuß werden anschließend die Grenzen überquert. Tauchen unterwegs Probleme auf, werden sie sich selbst überlassen. Im Februar wurden auf einem Frankfurter Parkplatz im Anhänger eines defekten französischen Sattelzuges 30 Filipinas, 25 Frauen und fünf Männer, entdeckt. Der Fahrer war seit mehreren Tagen verschwunden. Die menschliche Fracht kam aus Prag und sollte nach Genua gebracht werden.

In der Bundesrepublik mögen es noch immer vorwiegend Männer sein, die ihre Katalogbraut erwarten. Besonders am Mittelmeer und jenseits des Kanals sind es Privathaushalte, die trotz Waschmaschine, Mikrowelle und Staubsauger ohne „ihre“ Filipina nicht mehr auskommen können. „Vom Mittelstand aufwärts gehört es zwischen Mailand und Palermo seit Jahren zum guten Ton, mindestens eine philippinische Hausangestellte zu beschäftigen“, berichtete schon 1989 ein deutscher Korrespondent aus Italien. Eine preiswerte Haushälterin kann so auch jenen europäischen Frauen, deren Männer Emanzipation nur theoretisch akzeptieren, zur Konzentration auf ihre berufliche Laufbahn verhelfen.

So lange Frauen in den Philippinen nicht nur Armut und Bürgerkrieg ertragen müssen, sondern auch unter Machismo und Chancenungleichheit leiden, werden die international organisierten Schlepperbanden weiterhin mühelos rekrutieren können und saftige Profite einstreichen. In ihrer Heimat haben Frauen nur geringe Aussichten auf ausbildungsangemessene Arbeitsplätze. Selbst mit Universitätsabschlüssen landen viele in schlechtbezahlten Kaufhaus-, Restaurant- und Fabrikjobs. Im Ausland können sie ein Mehrfaches verdienen.

Es sind deshalb nicht nur junge, naive Frauen aus den Provinzen, sondern auch Hochschulabsolventinnen, die ihre Ersparnisse verwenden oder sich hoch verschulden und alles auf eine Karte setzen. Häufig geschieht das mit Billigung, wenn nicht sogar mit Unterstützung und starkem Druck der Familien.

Zumindest die Akademikerinnen wissen oder ahnen, worauf sie sich einlassen. Es kann sie nicht schrecken. Denn der philippinische Staat kümmert sich kaum um das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung. Weder setzt er die verordneten Mindestlöhne durch, noch bietet er soziale Absicherung. Im Gegenteil: die Regierung propagiert den Arbeitskräfteexport zur Dämpfung gesellschaftlicher Spannungen und zur Steigerung der Deviseneinnahmen. Eine bereits unter Marcos geschaffene Behörde und mehr als 700 private Agenturen übernehmen Vermarktung und Vermittlung. Kein anderes südostasiatisches Land ist durch seine früheren Kolonialmächte besser auf diese Rolle vorbereitet worden. Spanien und noch stärker die USA haben durch Christianisierung, Wirtschafts-, Schul- und Kulturpolitik die nationale Identitätskrise begründet und die Ökonomie und die Menschen des Landes zwangsweise in den Weltmarkt integriert.

Es muß erstaunen, daß die relativ effizienten europäischen Verwaltungen und Polizeikräfte trotz offizieller Abschottungspolitik wenig gegen illegal eingereiste und beschäftigte philippinische Hausangestellte und ihre Arbeitgeber unternehmen. Kann es daran liegen, daß in der Ober- und Mittelschicht Bedarf für sie besteht? Warum dennoch keine Anwerbequoten aufgestellt und ihre Beschäftigung legalisiert wird, wurde 1991 auf einer Tagung der „Kommission philippinischer WanderarbeiterInnen“ in den Niederlanden so formuliert:

„Es gibt eine logische Erklärung dieses offensichtlichen Widerspruches. Die europäische Einwanderungspolitik richtet sich gegen Immigranten mit Rechten, nicht gegen illegale Einwanderer ohne Rechte, die ökonomisch ausgenutzt und obendrein immer dann als Sündenböcke benutzt werden können, wenn in der Bevölkerung die Unzufriedenheit steigt.“