Die Brüder Hamadi bleiben in Haft

■ Die Freilassung der in der BRD inhaftierten Brüder Abbas und Muhammad Ali Hamadi ist nicht vorgesehen

Was immer Vertreter der Bundesregierung in Teheran ausgehandelt haben, ein Austausch der beiden deutschen Geiseln gegen die Brüder Hamadi gehört nicht dazu. Möglicherweise werden Hafterleichterungen geprüft, möglicherweise ist über eine vorzeitige Haftentlasung gesprochen worden.

Die beiden Hamadi-Brüder gehören zu den ganz problematischen Gefangenen der Republik. Im stillen mag schon manches Mitglied der Bundesregierung den Grenzer verflucht haben, der im Januar 1987 einen jungen Libanesen auf dem Frankfurter Flughafen erwischte, weil dieser Flüssigsprengstoff in Weinflaschen transportierte. Der Mann hieß Muhammad Ali Hamadi und war aus unterschiedlichen Motiven in Beirut und Washington gleichermaßen heiß begehrt. In Beirut galt er trotz seines jugendlichen Alters als Held. Zwei Jahre zuvor hatte Ali Hamadi gemeinsam mit einem anderen Krieger Gottes eine amerikanische TWA-Maschine von Rom nach Beirut entführt und dadurch 700 schiitische Gefangene aus israelischen Internierungslagern freigepreßt. Im Verlauf der Flugzeugentführung wurde ein Passagier ermordet: der US-Marinetaucher Robert Stethem. Seitdem fahndete das FBI weltweit nach den Mördern, Muhammad Ali Hamadi stand mit auf der Fahndungsliste. Unmittelbar nach der Festnahme Hamadis am Frankfurter Flughafen beantragten die USA seine Auslieferung.

Entführungen nach der Hamadi-Festnahme

Nur drei Tage später bekam die Bundesregierung eine Antwort aus Beirut. Der Manager des Chemiekonzerns Höchst AG, Rudolf Cordes, wurde im Libanon entführt, 72 Stunden später der Siemens-Techniker Alfred Schmidt. Seitdem dauerte der Poker an. Eine Woche nach der Schmidt-Entführung nahm der Grenzschutz — wieder auf dem Frankfurter Flughafen — den älteren Bruder Hamadi hoch. Abbas Hamadi kam aus Beirut, wohin er erst kurz nach der Verhaftung seines jüngeren Bruders von der Bundesrepublik aus gestartet war. Bereits kurz nach seiner Verhaftung offenbarte Abbas der Polizei die Existenz eines Sprengstofflagers in Saarlouis, was ihm den Ruf eines Verräters einbrachte.

Über die Familie Hamadi ist in den letzten Jahren viel spekuliert worden. Sicher ist, daß es mindestens vier Brüder gab, von denen einer bereits sehr jung im Dienst der Amal-Miliz starb. Muhammed Ali Hamadi soll sich daraufhin der radikaleren Hizb-Allah zugewandt haben, bei denen sein ältester Bruder, Abdel Hadi Hamadi, angeblich eine entscheidende Rolle spielt. Einzig Abbas, der zweitälteste galt als unpolitisch. Er hatte sich Ende der 70er Jahre in die Bundesrepublik abgesetzt und dort eine Deutsche geheiratet. Auch sein Bruder Muhammad Ali lebte mehrere Jahre in Saarlouis. 1984 ging er wieder nach Beirut.

Die erste Reaktion der Bundesregierung auf die Geiselnahmen im Libanon waren zähe Verhandlungen mit den USA um deren Auslieferungsbegehren. Dann trennte man die Verfahren der beiden Brüder und stellte zuerst den unproblematischeren Fall Abbas vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, an den Geiselnahmen in Beirut beteiligt gewesen zu sein, wenngleich der älteste Bruder Abdel Hadi Hamadi, als der Kopf der Entführertruppe galt. Die Bundesregierung und die Justiz verfuhren dabei doppelgleisig: Zum einen entschieden sie sich, Muhammad Ali nicht an die USA auszuliefern, andererseits wurde Abbas zu 13 Jahren verurteilt. Trotzdem honorierten die Beiruter Geiselnehmer die Nichtauslieferung Muhammads mit der Freilassung Alfred Schmidts, wenn auch hartnäckige Gerüchte besagten, der Siemens-Konzern habe diese Entscheidung zusätzlich mit etlichen Millionen erleichtert. Anfang 1988 begann dann der Prozeß gegen Muhammad Ali Hamadi. Unter erheblichem internationalen Druck und begleitet von etlichen Wortmeldungen aus Beirut, verhandelte eine Frankfurter Jugendstrafkammer über ein Jahr lang. Zwar gestand der Angeklagte während des Prozesses seine Teilnahme an der Flugzeugentführung, bestritt aber bis zuletzt, Robert Stethem erschossen zu haben. Auch zahlreiche Zeugen konnten ihn nicht eindeutig als Todesschützen identifizieren.

Lebenslänglich für Muhammad Ali Hamadi

Trotzdem wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Vor dem Urteil hatten die Entführer in Beirut, offenbar auf massiven Druck aus Teheran ihre zweite deutsche Geisel, Rudolf Cordes, freigelassen. Doch die libanesischen Schiiten trauten der deutschen Justiz nicht. Einen Tag vor der Urteilsverkündung in Frankfurt werden in der Hafenstadt Sidon erneut drei Deutsche entführt: Heinrich Strübig, Thomas Kemptner und Petra Schnitzler. Während Schnitzler nach wenigen Tagen von libanesischen Milizen befreit wird, verschwinden die beiden anderen spurlos. Jürgen Gottschlich