Ratlos bei Hemingway

■ Die »Needcompany« Brüssel gastiert zur Zeit mit »Invictos« im Hebbel-Theater

Die Bühne ist so gut wie leer: zwei Tische, fünf Stühle, ein ausgestopfter Stier; warmes Licht, das die Spielfläche nur spärlich ausleuchtet. Es ist ein Raum, der in seiner Schlichtheit neugierig macht. Gespannt wartet man auf die Darsteller und darauf, was sie mit diesem Raum anfangen werden. Ein Mann tritt an die Rampe und singt mit wunderschöner Stimme eine Art religiösen Gesang direkt ins Publikum, der gleichzeitig traurig und komisch anmutet.

Zwei weitere Darsteller machen diesem Solo ein Ende. Sie drängen den Sänger fast weg, und es entspinnt sich ein rasant gesprochenes Streitgespräch auf spanisch. Nach längerem Disput scheinen sie sich zu einigen: der Stier wird von der Bühne gerollt und das eigentliche Spiel eröffnet.

In den nächsten anderthalb Stunden wird die Geschichte eines Dichters erzählt, der sich vorgenommen hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Der Mann ist nicht mehr jung. Er meint, er habe ausreichend gelebt, er habe Erfolg mit seinen Büchern gehabt, er habe sein Leben, allein und mit Frauen, genossen. Nun ist es genug.

Die szenische Collage Invictos (»Die Unbesiegten«) basiert auf Erzählungen von Ernest Hemingway. Ein Erzähler begleitet den Dichter und seine Freundin, die sich mit dem Sterbewunsch nicht abfinden will und versucht, ihren Geliebten ins Leben zurückzuholen. In ständigem Wechsel von Englisch, Spanisch und Deutsch erzählen die drei Schauspieler mehr, als daß sie spielen: vom Leben, von der Liebe, vom Tod und von der Selbstverständlichkeit des Sterbens.

Es geschieht wenig: Der Dichter und der Erzähler sitzen die meiste Zeit hinter ihren Tischen und trinken Whiskey. Die Frau, eine rassige Spanierin, bewegt sich zwischen den beiden. Ihre sparsamen Bewegungen lassen eine mühsam zurückgehaltene Energie und Körperlichkeit ahnen. Wenn sie die Arme nach oben streckt, vermutet man, daß sie gleich einen feurigen Flamenco tanzen wird. Aber es bleibt beim Ansatz zur Bewegung, wie überhaupt die ganze szenische Umsetzung irgendwo auf dem Weg zur Vollendung steckengeblieben zu sein scheint.

Und so macht sich dann auch Langeweile breit. Hemingwayliebhaber haben sicher ihre Freude an diesem Abend, weil sie seine Sprache genießen können. Mehr als eine szenische Lesung findet aber nicht statt. Das ist nicht genug und verwundert bei dieser Truppe, die schon mit weit besseren Produktionen zu sehen war. Erinnert sei an Julius Cäsar. An der Leere ändern auch die effekthaschenden Spielereien nichts, mit denen die drei Schauspieler auf den hinteren drei Stühlen das Geschehen zu bereichern versuchen. Am Ende des Abends bleibt Ratlosigkeit zurück. burk

Invictos , Needcompany Brüssel, noch bis zum 20.6. im Hebbel-Theater, jeweils 20.00 Uhr.