Zipfel der Wahrheit

■ Jelzins lückenhafte Angaben über C-Waffen in der Ostsee

Genf (taz) — „Riesige Container“ mit chemischen Waffen hätten „die Nazis“ gegen Ende des 2. Weltkrieges in der Ostsee versenkt, berichtete Boris Jelzin George Bush beim ersten Gespräch während des Washingtoner Gipfels. Um die wegen Durchrostung der Container drohende Umweltkatastrophe zu verhindern, bedürfe es einer gemmeinsamen amerikanisch-russischen Aktion zur Ortung, Bergung und Zerstörung der nach wie vor hochgiftigen Substanzen. So weit, so gut. Was Jelzin jedoch nicht erwähnte: die von Hitlers Marine in den letzten Kriegsmonanten des Jahres 1945 in der Ostsee versenkten rund 5.000 Tonnen Giftgas sind nur ein kleiner Bruchteil der rund 300.000 Tonnen chemischer Waffen aus reichsdeutschen Beständen, die nach Kriegsende in der Ostsee „entsorgt“ wurden. Verantwortlich hierfür war ein von den vier Siegermächten Sowjetunion, USA, Frankreich und Großbritannien eingerichteter Chemiewaffenkontrollausschuß. Nach den Vorschriften des C-Waffenverbotsabkommens, das wahrscheinlich noch in diesem Jahr in der Genfer UNO-Abrüstungskonferenz fertiggestellt wird, wären für Bergung und umweltfreundliche Vernichtung dieser Altbestände gemeinsam die Bundesrepublik Deutschland und Rußland als Nachfolgestaaten von Hitlerdeutschland und Sowjetunion sowie Frankreich, Großbritannien und die USA verantwortlich. Die Kosten werden von Experten auf mindestens 100 Milliarden Mark geschätzt. Kein Wunder also, daß George Bush auf den Vorschlag Boris Jelzins nur mit sehr zurückhaltendem Interesse reagierte. azu