MIT DEM AGRAR-GEFEILSCHE AUF DU UND DU
: Starrsinnige Agrarpolitik

■ EG-Minister vertagen EG-Landwirtschaftsreform

Luxemburg (taz/ap/dpa) — Die geplante Agrarreform der EG wird immer mehr zur Farce. Da hatten die Landwirtschaftsminister der Zwölfergemeinschaft über ein Jahr um die Grundzüge des Pakets gerungen, nun gelang es ihnen am Dienstag wieder nicht, das Reformvorhaben wie geplant endgültig zu verabschieden. Vorbehalte Frankreichs und Italiens hatten während der zweitägigen Beratungen das abschließende Votum über den bereits Ende Mai erzielten Kompromiß versperrt. Auf einer Sondersitzung, die voraussichtlich am 30. Juni stattfindet, soll ein neuer Versuch zur Ratifizierung unternommen werden. Doch bereits jetzt mehren sich die Anzeichen, daß auch dieser Termin weiter nach hinten verschoben wird.

Die italienische Regierung, die den Grundsatzbeschluß für die Agrarreform nur unter Vorbehalt mitgetragen hatte, beharrt weiterhin auf eine um 16 Prozent höhere Milchquote für ihre Bauern. Auch Frankreichs Kabinett hat angesichts zahlloser Bauerndemonstrationen innenpolitische Schwierigkeiten mit der Reform. Ministerpräsident Pierre Beregovoy will erst einmal neue Gesprächen mit den Bauernverbänden führen, ehe er grünes Licht für das Paket gibt.

Mit der Reform sollten ursprünglich ab 1993 die Preissubventionen für landwirtschaftliche Erzeugnisse gesenkt und dafür den Bauern direkte Einkommensbeihilfen gezahlt werden. Damit will die EG die riesige Überproduktion von Getreide, Milch und Fleisch abbauen, die Preise an das Weltmarktniveau heranführen und die EG-Märkte für mehr Einfuhren aus Drittländern öffnen. Ohne die Reform, so die einfache Rechnung der Brüsseler EG-Technokraten, ginge der Gemeinschaft schlichtweg das Geld aus. Allein in diesem Jahr, so hat EG-Haushaltskommissar Peter Schmidhuber errechnen lassen, beliefen sich die Ausgaben zur Stützung der Erzeugerpreise auf rund 72 Milliarden Mark — das ist über die Hälfte des gesamten EG-Haushalts. Mit der Blockade der Agrarreform gerät nach Einschätzung der EG-Kommission auch die Liberalisierung des Welthandels im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (Gatt) in Schwierigkeiten. Das Reformpaket muß vor dem Weltwirtschaftsgipfel Anfang Juli in München abgesegnet werden, wenn die Gatt-Runde nicht zusammenbrechen soll.

Einen kleinen Erfolg durften die Landwirtschaftsminister dennoch feiern: Rohmilch-Käse darf nur mit „guten“ Bakterien auf den Markt. Käsereien, die ihre Spezialitäten aus Rohmilch herstellen, können ihren Käse ab 1994 nur dann EG- weit verkaufen, wenn sie festgelegte Mindestanforderungen an die Hygiene erfüllen. Erwin Single