Baden-württembergische Philosophie

Ein Ministerpräsident namens Erwin Teufel erklärte seine Regierung, und machte daraus ein Zitatenspiel  ■ Aus Stuttgart Dietrich Willier

Die alltägliche Erfahrung der Habenichtse — nämlich daß immer gerade dann Kreativität und Innovation angesagt sind, wenn Schmalhans Küchenmeister spielt — ist dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel offenbar nicht geläufig. Große Innovationen, so Teufel in seiner gestrigen Regierungserklärung, möge man bitte nicht erwarten: Es fehlt das Geld. „Weitsichtige Bescheidenheit“, zitiert Teufel seinen Heimatphilosophen Martin Heidegger, sei also angesagt. Außerdem, so der belesene Ministerpräsident, beginne „Politik mit dem Betrachten der Wirklichkeit“ (Kurt Schumacher). Und diese Wirklichkeit habe die beiden großen Parteien CDU und SPD schließlich nach erbittertem Wahlkampf in die Koalition „gezwungen“.

War das ein erster Seitenhieb auf den neuen Partner oder eine politische Sottise? Eigentlich müßte Teufel der SPD für ihren willfährigen Beistand in der Not doch dankbar sein. Schließlich hatte man sich in bisher kontroversen Fragen wie der Asylpolitik und Pflegeversicherung, der Strukturpolitik zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg sowie der Atomenergie und Sondermüllentsorgung ruckzuck auf einen Kompromiß geeinigt. Schließlich hatte sich der SPD-Spitzenmann Dieter Spöri als neuer Wirtschaftsminister besonders als Sparkommissar künftiger Haushalte hervorgetan.

Natürlich weiß Ministerpräsident Teufel das zu schätzen. Vor allem jetzt, wo „soviel Anfang war wie noch nie“ (Jean Monnet). Wo es bei soviel Politikverdrossenheit in der Republik darum gehen müsse, zu „dienen und führen in der Demokratie“ (Richard von Weizsäcker). Gerade da, so Teufel, gelte es, dem bösen Satz, Politik verderbe den Charakter, mit Gustav Radbruch entgegenzuhalten: „Nein, Politik erprobt den Charakter.“ Sicher, so Teufel, habe es in der Vergangenheit Fehler oder instinktloses Verhalten einzelner Politiker gegeben.

Und schreibt drum seinen Politikerkollegen auch die Worte eines griechischen Philosophen ins Stammbuch: „Du bist um des Ganzen willen da, und nicht das Ganze um deinetwillen“ (Plato). „Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß“ (Max Weber) seien die Eigenschaften, die einen Politiker ausmachten. In zwei Wochen soll es im Stuttgarter Landtag zur Aussprache über Teufels Regierungserklärung kommen. Harsche Kritik von seiten der Grünen wie der „Republikaner“ ist bereits angekündigt. Die Koalitionspartner CDU und SPD werden ihren ersten Härtetest erst im Spätsommer zu bestehen haben. Dann, wenn bei den Haushaltsberatungen deutlich wird, daß wenn schon das Geld fehlt, auch hehre Philosophie die eigene Kreativität nicht ersetzt.