INTERVIEW
: »Man redet mit den falschen Leuten«

■ Hilde Schramm über die Friedensbewegung im ehemaligen Jugoslawien/ Heute Demo gegen den Krieg in Bosnien

taz: Die von Ihnen mitbegründete »Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegung im ehemaligen Jugoslawien« ruft zusammen mit anderen Gruppen, unter anderem der GEW, der AL und Pax Christi, zu einer Demonstration auf. Was ist der Anlaß?

Hilde Schramm: Der konkrete Anlaß ist die eingeschlossene Stadt Sarajevo und die Verzweiflung bei unseren Mitgliedern, die aus den verschiedenen Nachfolgestaaten Jugoslawiens, also auch aus Bosnien oder gar Sarajevo stammen. So entstand die Idee, wenigstens eine Demonstration zu machen, in der Hoffnung, daß möglichst viele Deutsche zeigen, daß ihnen die Ereignisse nicht gleichgültig sind. Außerdem wäre es ein Beitrag zur Versöhnung nach innen, wenn die verschiedenen Nationalitäten Ex-Jugoslawiens, die auch hier unter großen Spannungen leben, gemeinsam demonstrieren. Und da sind wir guter Hoffnung.

Was könnte denn Berlin konkret für die Flüchtlinge tun?

Berlin könnte und sollte sich für die Öffnung der deutschen Grenzen für alle Kriegsflüchtlinge und die Aufhebung des Visumzwangs einsetzen.

Die Bewohner des Landes Serbien, gegen das nun Sanktionen verhängt wurden, benötigen kein Visum, die Menschen aus Bosnien-Herzegowina aber nach wie vor?

So ist es. Letztere können nur kommen, wenn ihnen Verwandte bescheinigen, daß sie Unterkunft und Verpflegung übernehmen. Und natürlich muß den Flüchtlingen in allen Nachfolgestaaten geholfen werden, auch in Serbien. Außerdem sollten sich der Senat und die Bundesregierung um eine größere Unterstützung der dortigen Friedenskräfte bemühen. Man redet mit den falschen Leuten, mit den Regierungen und den Kriegstreibern. Wir haben viele Kontakte nach Ex-Jugoslawien und wissen, daß die Friedensgruppen fordern, endlich als offizielle Gesprächspartner akzeptiert zu werden.

Der Grund für die bisher eher klägliche Unterstützung dieser Friedensbewegung aus Deutschland scheint mir auch in der komplizierten Undurchsichtigkeit dieses Krieges zu liegen. Man erhält den Eindruck, daß sich dort Privatarmeen völlig verselbständigt haben.

Denen jedoch die serbische Bundesarmee die Munition und Kriegsgeräte liefert. Bei all diesen Fragen versuchen wir uns aber auch an den Friedensbewegten und der demokratischen Opposition in Belgrad und anderswo zu orientieren, weil das in der Tat alles kompliziert ist.

Ihre Initiative will explizit auch die unabhängigen Medien in Ex-Jugoslawien unterstützen, weil dem Krieg ein Medienkrieg vorausging, in dem der aggressive Nationalismus von den staatlich kontrollierten Medien angeheizt wurde. Was machen Sie konkret?

Wir haben inzwischen rund 74.000 Mark gesammelt und verteilen dieses Geld an Friedensgruppen und die wenigen noch bestehenden unabhängigen Zeitungen und Sender in den Nachfolgestaaten. Ich war jetzt gerade in der serbischen Wojwodina, und dort kämpft die einzige unabhängige Lokalzeitung ums Überleben. Außerdem haben wir hier ein Papier zur Einrichtung eines KSZE-Medienrates und zur Gründung einer europäischen Stiftung für unabhängige Medien verabschiedet.

Aus dem Fall Jugoslawien muß man die Lehre ziehen, daß die Strukturen gegen den nächsten Medienkrieg vorher aufgebaut werden müssen. Weder der Europarat noch eine andere Institution war in der Lage, die unabhängigen Gruppen zu unterstützen. Interview: usche

Demonstration: Freitag, 16.30 Uhr, Lehniner Platz, Abschluß: 18 Uhr Wittenbergplatz.

Spendenkonto der Initiative zur Unterstützung der Friedensbewegung: Internationale Liga für Menschenrechte, Sparkasse der Stadt Berlin, BLZ 10050000, Kontonummer 220027005, Stichwort: »Frieden in Jugoslawien«. Spendenquittung möglich.