Vollkommenes Zahlenmonster

■ Britische Wissenschaftler lüften das Geheimnis der 32

Die alten Griechen sahen göttliche Vollkommenheit in jenen Zahlen verwirklicht, die gleich der Summe ihrer Teiler sind. Die kleinsten vollkommenen Zahlen sind demnach 6 (= 3 + 2 + 1) und 28 (= 14 + 7 + 4 + 2 + 1). Auch die nächsten beiden, 496 und 8.128, waren den Griechen bereits bekannt.

Obwohl Mathematiker mit Großcomputern auf Entdeckungsreise gingen, haben sie bis heute nur wenige vollkommene Zahlen gefunden. Kürzlich ermittelten Wissenschaftler des britischen Harwell Laboratory gerade mal die 32. Diese ist allerdings schon unvorstellbar groß. Eine ganze Ausgabe der taz würde nicht ausreichen, um sie einmal abzudrucken. Die neue vollkommene Zahl hat 455.663 Stellen. Zum Vergleich: die Anzahl der Zellen im menschlichen Körper ist dreizehnstellig und sogar die aller Elektronen im Weltall hat noch nicht mal hundert Ziffern.

Die englischer Wissenschaftler entdeckten die Vollkommenheit des Zahlenmonsters, nachdem sie die bisher größte bekannte Primzahl (Primzahlen sind Zahlen, die nur durch sich selbst und durch eins teilbar sind) ermittelt hatten. Diese erhält man, indem man die Zahl zwei 756.839mal mit sich selbst malnimmt und eins abzieht. Multipliziert man diese Primzahl mit sich selbst plus eins, ergibt sich die neue perfekte Zahl. Dieses Verfahren zur Ermittlung vollkommener Zahlen funktioniert allerdings bei weitem nicht immer. Fünf etwa ist eine Primzahl. Multipliziert mit fünf plus eins, ergibt sich die unvollkommene Zahl 30.

Auch moderne Hochleistungscomputer brauchen tagelang, wenn sie sich mit solchen Giganten wie der neuen vollkommenen Zahl beschäftigen. Und das alles nur damit die Menschheit weiß, daß es mindestens 32 Zahlen perfekt gibt? Neben diesem abstrakten Erkenntnisgewinn verweisen Zahlenprofis gern auf den praktischen Nutzen ihrer Forschungen: Mit großen Primzahlen können Botschaften verschlüsselt werden, sind auch die schnellsten Elektronenhirne zum Scheitern verurteilt. Dieser Umstand ermöglicht theoretisch fälschungssichere Chiffrierverfahren. Schon im Zweiten Weltkrieg spielten solche Kodierungen eine entscheidende Rolle. Dem britischen Mathematiker Alan Turing gelang es damals, den Kode der deutschen Chiffriermaschine „Enigma“ zu knacken und damit den Alliierten einen wichtigen Wissensvorsprung zu sichern.

Über vollkommene Zahlen haben Mathematiker bisher kaum etwas herausgefunden. Alle bekannten sind gerade Zahlen. Ob auch ungerade die Vollkommenheit erreichen können, weiß niemand. Auch wieviele Zahlen vollkommen sind, ist unbekannt. Daß es unendlich viele Primzahlen gibt, bewies dagegen Euklid bereits vor 2.300 Jahren. Wolfgang Blum