: Schalck-Golodkowskis geheimes Reisespesenkonto
Wie in alten Zeiten zitierte Schalk KoKo-Personen ins Bayerische/ Schalk nächste Woche wieder vor Ausschuß ■ Aus Bonn Thomas Scheuer
Die verschwundenen Millionen des Alexander Schalck-Golodkowski geben weiterhin Rätsel auf. Eines darf jedoch mittlerweile als sicher gelten: Irgendwo muß „Big Alex“ ein geheimes Reisespesenkonto unterhalten. Die langjährige Schalck-Vertraute und Finanzmanagerin Waltraud Lisowski, im Schattenreich der „Kommerziellen Koordinierung“ zuständig für die devisenträchtigen Westfirmen der SED, berichtete dem Schalck-Untersuchungsausschuß des Bundestages am Mittwoch von einem geheimen Treffen mit ihrem früheren Chef. Anfang Juni 90 traf sie ihn unter konspirativen Umständen auf dem Flughafen München, obwohl ihr die neue KoKo- Leitung derlei Kontakte strikt verboten hatte. Schalck habe sich für aktuelle Interna aus seinem früheren Imperium interessiert; keineswegs aus Eigennutz, sondern, so Frau Lisowski, um seinen Gesprächspartnern vom BND besser Auskunft geben zu können. Auch habe er sich vergewissern wollen, ob auch alle Auslandsgelder, wie von ihm angewiesen, schön brav zurück in die DDR geflossen seien. Kurz nach diesem Geheimtreffen schrieb Schalck einen jener drei ominösen „Privatbriefe“ an den damaligen Innenminister Schäuble, an deren Inhalt sich der Empfänger heute partout nicht mehr erinnern mag.
Zum konspirativen Small talk im Münchner Flughafen war Frau Lisowski von einer Frau Roswitha Dittmer telefonisch bestellt worden. Die hatte einst KoKo-Vizechef Seidel als Sekretärin gedient. Ihr Gehalt wurde allerdings nicht vom Außenhandelsministerium, sondern direkt vom MfS bezahlt. Ein paar Tage nach Frau Dittmers Anruf im Auftrag Schalcks lag ein bezahltes Flugticket im Briefkasten von Frau Lisowski.
Daß Schalck noch lange nach seiner Flucht an den alten KoKo-Fäden zupfte, ergibt sich auch aus Vernehmungen der Berliner Staatsanwaltschaft. Gisela Brachaus, zu DDR-Zeiten Schalcks persönliche Sekretärin, gab zu Protokoll, sie habe den Chef bereits fünfmal (!) in seinem Domizil am Tegernsee besucht. Natürlich wurde nur Privatkram erörtert; ob sie vom Staatsanwalt auch nett behandelt worden sei, wollte der Chef beispielsweise wissen. Die fünf Flugtickets für Frau Brachaus bezahlte selbstredend Herr Schalck. Aus welchen schwarzen Kassen Schalck die Reisekosten seines „ehemaligen“ Personals begleicht, läßt eine weitere Aussage der Frau Brachaus nur erahnen: Drei Millionen D-Mark lieferte der KoKo-Mann Michael Wischniewski von der Firma F. C. Gerlach am 20. November 1989 cash gegen Quittung bei Schalck persönlich ab. Laut Bankbeleg zahlte KoKo-Vize Seidel am 2. Dezember 89 aber nur 1,5 Millionen ein. Die andere Hälfte ist verschwunden. Zur Erinnerung: Just in der Nacht auf den 3. Dezember tauchte Schalck ab. Auch der Tresor in Schalcks Büro, in dem neben einer Pistole ständig bündelweise Bares bereitgehalten wurde, war am nächsten Tag leer. Von den zahlreichen West-Politikern, mit denen Schalck so über die Jahre verhandelt und gebandelt hat, empfing er nach Erinnerung von Frau Brachaus nur einmal einen in seinem persönlichen Büro in der KoKo-Zentrale: Wolfgang Schäuble. Die beiden späteren Brieffreunde Schalck und Schäuble müssen in der kommenden Woche erneut vor dem Untersuchungsausschuß antreten.
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