INTERVIEW
: Die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen

■ Jiri Kosta, Reformökonom des Prager Frühlings, über die Kosten der Teilung

taz: Herr Kosta, bedeutet der Beschluß über die Bildung der Übergangsregierung das Ende der Tschechoslowakei?

Jiri Kosta: Ich glaube, man muß diese Frage mit einem Ja beantworten. In dieser Ansicht bestärkt mich auch die Tatsache, daß Václav Klaus nicht das Amt des tschechoslowakischen Ministerpräsidenten übernehmen wird. Ebenso wie Meciar will er statt dessen Ministerpräident einer der bisherigen Teilrepubliken werden. Beide Politiker haben die Hoffnung auf einen Erhalt des gemeinsamen Staates aufgegeben.

War eine Einigung zwischen Klaus und Meciar, der die Teilung des Landes verhindert hätte, überhaupt möglich? War Klaus in seiner Absicht, die Föderation zu erhalten, nicht zu kompromißlos?

So einfach kann man dies nicht sehen. In der Partei Meciars hat sich derjenige Flügel durchgesetzt, der eine Konföderation wollte. Aber selbst das außen- und wirtschaftspolitische Bündnis, das Meciar vorschwebte, wäre meiner Ansicht nach ökonomisch nicht lebensfähig gewesen. Es hätte einen ständigen Verteilungskampf über die zur Verfügung stehenden staatlichen Gelder bedeutet. Die Position von Klaus ist dagegen auch von Havel unterstützt worden, und umgekehrt. Auf der anderen Seite haben die wirtschaftlichen Erfolge in der tschechischen Teilrepublik sicher dazu beigetragen, daß Klaus der Trennung nun zugestimmt hat.

Welche wirtschaftlichen Konsequenzen wird die Trennung für die beiden entstehenden Republiken haben?

Am schwierigsten wird die Frage zu lösen sein, wie die Verflechtungen zwischen der Wirtschaft beider Landesteile aufgelöst werden können. Der Privatisierungsprozeß wird sich verzögern, das Auslandskapital wird besonders in die Slowakei nur sehr langsam und zögerlich fließen. Vorübergehend kann auch die Zusammenarbeit zwischen der Industrie beider Landesteile Schaden nehmen.

Das heißt die Arbeitslosigkeit in der Slowakei wird nicht bei 14 Prozent stehenbleiben?

Sie wird mit Sicherheit weiter wachsen. Außerdem kann ich mir nur schwer vorstellen, wie die Slowakei ohne die aus der Tschechischen Republik kommenden Gelder wirtschaftlich überleben kann. Sie muß mit mindestens drei bis vier sehr schwierigen Jahren rechnen, die Trennung wird nur unter schweren Opfern der Bevölkerung vor sich gehen.

Aus diesem Grund will Meciar auch die endgültige Trennung so lange wie möglich hinauszögern. Bei den Verhandlungen über die Aufteilung der CSFR will er sich die Subventionen, die in diesem Staatshaushalt für die Slowakei vorgesehen waren, sichern. Einige proföderale slowakische Politiker vertreten daher die Meinung, daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten dazu führen können, daß die Slowaken ihre Politiker zwingen werden, wieder enger mit Prag zusammenzuarbeiten.

Besitzt die Slowakei überhaupt Industrieunternehmen, die die dringend benötigten Devisen erwirtschaften können?

Meciar setzt auf die Rüstungsindustrie, doch ob sie weiter ausgebaut werden sollte, da habe ich Zweifel. Ausgebaut werden sollte dagegen der Fremdenverkehr, Tradition besitzt die Slowakei auch in der Textilindustrie.

Eine Voraussetzung für die Anerkennung der Slowakei als selbständiger Staat dürfte ihre Politik gegenüber der ungarischen Minderheit sein. Diese hat bereits Autonomieforderungen erhoben?

Meciars Wahlprogramm und seine Wahlkampfauftritte scheinen klarzumachen, daß er die Rechte der Ungarn eher einschränken als erweitern will. Trotzdem wird er sich jetzt sehr bemühen, seine „Toleranz“ gegenüber der ungarischen Minderheit zu beweisen. Ob er damit Erfolg haben wird, ist fraglich. Zum einen könnte er unter den Druck der Slowaken geraten, die er in den letzten Wochen gegen die Ungarn aufgestachelt hat. Zum anderen werden auch die Ungarn sehr skeptisch sein. Sie haben zu den Slowaken in den vergangenen Jahren ein ähnliches Verhältnis entwickelt wie die Slowaken zu den Tschechen. Ein weiteres Problem ist das Wasserkraftwerk Gabcikovo-Nagymaros an der Donau. Bisher hat die tschechoslowakische Regierung den Slowaken den Rücken gestärkt. Jetzt muß die slowakische Regierung allein mit Ungarn verhandeln. Die europäischen Staaten und die UNO sollten sehr genau prüfen, ob die Slowakei in der Lage ist, die Bedingungen zu erfüllen, die man von einem demokratischen Rechtsstat erwartet. Interview: Sabine Herre