Wahlsieger wollen die Spaltung

■ Die letzte Regierung des Landes soll die Liquidation betreiben/ Vaclav Havel will Verfassungskonformität prüfen lassen/ Unklarheit über das weitere Vorgehen Allgemeines Referendum ist umstritten

Wahlsieger wollen die Spaltung Die letzte Regierung des Landes soll die Liquidation betreiben/ Václav Havel will Verfassungskonformität prüfen lassen/ Unklarheit über das weitere Vorgehen — Allgemeines Referendum ist umstritten

Blaß und bewegt schaute Václav Havel, Dramatiker und Noch-Präsident des Föderativen Staates der Tschechen und Slowaken, auf die vor ihm versammelte JournalistInnenschar. Vor wenigen Minuten hatten im Hauptquartier der Bürgerlich-Demokratischen Partei ODS die tschechische und die slowakische Delegation unter Václav Klaus und Vladimir Meciar ihre dritte und entscheidende Verhandlungsrunde über die Zukunft der CSFR beendet. Jetzt lag es an Havel, die erzielten Ergebnisse zu kommentieren.

Doch dem enttäuschten Präsidenten gelang es, sich noch einmal aufzuraffen: Eine Übergangsregierung, so stellte er mit Nachdruck fest, deren Programm der Verfassung der CSFR widersprechen werde und die die Liquidation des Staates zu ihrem Ziel erhebe, einer solchen Regierung werde er als Präsident seine Zustimmung verweigern.

Ob dadurch jedoch die Trennung der CSFR aufgehalten werden kann, ist mehr als fraglich. Zu klar scheinen die Schritte, auf die sich Klaus und Meciar geeinigt haben. Bereits am heutigen Freitag wollen beide Seiten über die Zusammensetzung der Bundesregierung beraten. Diese Regierung soll 10 statt bisher 15 Minister umfassen. Ihr Vorsitzender und damit — voraussichtlich — letzter Ministerpräsident der CSFR wird der Wirtschaftsexperte der Partei Meciars, Rudolf Filkus, werden. Das Amt des Außenministers ist für einen Tschechen vorgesehen, insgesamt soll das Kabinett paritätisch besetzt werden.

Großes Gewicht legt Klaus auf die Regierungserklärung: In ihr müsse die Fortsetzung der Wirtschaftsreformen festgeschrieben werden. Die Amtsdauer dieses „Liquidationsorgans“ wird von Meciar auf eineinhalb Jahre geschätzt; bis dahin sollen alle wirtschaftlichen und politischen Fragen, die sich aus der Teilung ergeben, beantwortet sein. Klaus favorisiert dagegen eine schnellere Trennung. Bereits in den vergangenen Tagen hat er wiederholt darauf hingewiesen, daß eine weitere Verzögerung die Fortsetzung der Wirtschaftsreformen behindern werde, bereits jetzt gebe es erste Anzeichen für einen Rückgang der Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmer.

Abhängig ist der Zeitpunkt der endgültigen Trennung darüber hinaus vom Termin des Referendums, mit dem die Bevölkerung beider Landesteile die endgültige Entscheidung fällen soll. „Soll“, denn bisher steht lediglich fest, daß in der Slowakei Ende 1992 abgestimmt werden wird. Václav Klaus hat dagegen dem Referendum, das so schnell wie möglich stattfinden soll, zwar grundsätzlich zugestimmt. Gleichzeitig wies er aber darauf hin, daß die Entscheidung über die endgültige Trennung auch vom Bundesparlament oder den beiden Landtagen getroffen werden kann. Die Durchführung eines in beiden Republiken durchgeführten Referendums, auf die auch Václav Havel drängt, enthält jedoch noch eine weitere Entwicklungsvariante: Da die Mehrheit der TschechInnen und SlowakInnen nach Meinungsumfragen weiterhin für den Erhalt der Föderation ist, könnten die Politiker, die sich nun bereits für die Teilung entschlossen haben, durch „die Stimme des Volkes“ erneut an den Verhandlungstisch gezwungen werden.

Zunächst werden beide jedoch ihre Politik fortsetzen. Václav Klaus wird das Amt des tschechischen Ministerpräsidenten übernehmen und gemeinsam mit anderen christdemokratischen und konservativen Parteien eine tschechische Koalitionsregierung bilden. Der Bewegung für eine demokratische Slowakei fehlen im Landtag in Bratislava nur drei Stimmen zur absoluten Mehrheit. Als zukünftiger slowakischer Ministerpräsident entschied sich Vladimir Meciar für eine Minderheitsregierung, die von der nationalistischen Slowakischen Nationalpartei gestützt wird. In einem Zeitungsinterview erklärte Meciar gestern, daß er „in absehbarer Zeit, wahrscheinlich im Laufe des Juli“, die Souveränität der Slowakei ausrufen werde. Im August soll das Parlament in Bratislava dann die Verfassung der Slowakei, die auch das Amt eines slowakischen Präsidenten vorsieht, verabschieden. Sabine Herre