Nieder mit der Bundfaltenhose

■ Der an Leichtsinn grenzende modische Mut der Männer/ Bunte Farben, aber unvorteilhafte Formen/ Bei der Wahl der Hosen haben Männer mitunter ein unglückliches Händchen

Seit Jahren klagen Frauen und Modezeitschriften, daß der deutsche Mann sich konservativ und langweilig kleide. Triste Farblosigkeit zeichne sein Erscheinungsbild aus. Nach einer vierstündigen intensiven Studie des den Kurfürstendamm auf und ab schlendernden Männervolkes kann ich dieses Urteil nicht teilen. Im Gegenteil. Die Behauptung, der deutsche Mann kleide sich ausgesprochen farbenfroh, kann zumindest in der Altersklasse zwischen 20 und 50 nur als untertrieben bezeichnet werden.

Augenfälliger Beliebtheit erfreuen sich Rottöne in jeder Schattierung. Etwa jeder fünfte Mann weist rot in seiner Kleidung auf. Häufig trägt er dunkelviolette Hosen, wobei sich die Farbe — neben einigen anderen — geschmackvollerweise im Blumenmuster des Hemdes wiederfindet. Nicht wenige Männer gehen noch einen Schritt weiter, was ihre Geschlechtsgenossen durchaus wach registrieren. Nach einem jungen Mann, der stolz Bermudas und Jacke in zartestem rosa spazieren führt, drehen sich mindestens so viele Männer wie Frauen beifällig um.

Ein anderer Herr verblüfft die Entgegenkommenden mit seiner schillernden Kombination aus auberginefarbenen Hosen, rosa Hemd und blau-rot changierender Jacke. Während ich ihm noch wohlwollend zulächle, registriere ich aus den Augenwinkeln eine Erscheinung in Senfgelb, Hellgelb und Signalrot. Nun ja, wer viel wagt, haut auch schon mal schwer daneben. Wenig überzeugend sind auch die Versuche einer Minderheit, dunkelbeige Hosen mit farblich explodierender Oberbekleidung etwa in Türkis, Orange oder Lila zu kombinieren.

Was die Herren an Farben wagen, findet leider keine Entsprechung in der Form. Erleichtert stelle ich fest, daß die vor einiger Zeit so beliebte Pellwurstvariante, die einen befürchten ließ, ein Mann könne sich seiner Hosen nur mittels einer Gartenschere entledigen, endgültig aus dem Straßenbild verschwunden ist. Doch ihr Nachfolger, die Bundfaltenhose, ist ästhetisch gesehen kaum ein Fortschritt. Die Mehrzahl der Männer läßt sich in zwei Gruppen einteilen: Solche in Bundfaltenhose und Hemd und solche in Jeans und T-Shirt. Beide Variationen weisen entscheidende Mängel auf.

Das bevorzugte T-Shirt in diesem Sommer kann nur prüde genannt werden. Es ist so hoch geschlossen, daß der Halsrand unmittelbar unter dem Kehlkopf sitzt und somit auf einen der unattraktivsten Teile des männlichen Körpers hinweist, den Adamsapfel. Dafür verstellt er bedauerlicherweise den Blick auf den Übergang vom Hals zur Schulter, eine der wenigen anmutigen Kurven, die Männer aufzuweisen haben. Zugunsten des hochgeschlossenen T-Shirts läßt sich allerdings anführen, daß es die nach wie vor beliebten Goldketten verdeckt.

Wer geglaubt hat, eine größere Scheußlichkeit als die Schlaghosen der siebziger Jahre sei unvorstellbar, betrachte die zur Zeit unglaublich populäre Bundfaltenhose. Sie hat ein äußerst weites Bein, das am Knöchel so eng wird, daß Mann kaum den Fuß durchbekommt. Bei den meisten Männern ist sie zu lang, so daß sie sich ab halber Wadenhöhe staucht. Diese Hose erinnert unweigerlich an den Kinderreim: Der Plumpsack geht um. Ich möchte hier nicht polemisch werden, aber das deutsche Männerbein am Kurfürstendamm zeichnet sich vorzugsweise dadurch aus, daß es kurz und kräftig ist. Warum sich der Durchschnittsbürger mit einer Beinkleidung schmückt, die die Figur eines Fred Astaires erfordert, ist mir ein Rätsel. Doch es ist nicht nur die Durchschnittsfigur, die gegen die gepluderten Hosen spricht.

Die Unförmigkeit weiter Kleidungsstücke ist sofort aufgehoben, wenn sich der darunter befindliche Körper mit Anmut bewegt. Sieht man den Männern auf die Hose, fällt eine Eigentümlichkeit auf: die meisten bewegen sich mit einer ruckartigen Steifheit, als trügen sie vollgeschissene Windeln. Es gibt da sicher gravierende Unterschiede in der Fortbewegung, doch üblich ist hier ein Gang, bei dem der untere Teil des Beines vehement nach vorn geschleudert wird, das Knie versteift sich, bis es irgendwo einrastet und schließlich stampft der Fuß auf die Erde, als gelte es, einen Lehmpfad glatt zu trampeln. Hüften und Oberkörper bleiben während dieser Aktion der unteren Extremitäten stocksteif. Um das Gleichgewicht zu wahren, bewegt sich der Mann nicht in der Taille, sondern dreht Hüften und Oberkörper als eine unbewegliche Einheit leicht nach rechts und links. Dieser Gang gemahnt an Seeleute, wie sie im Film vorgeführt werden. Er ist nicht zwangsläufig unattraktiv, nur eines ist er nicht: elegant. Und Fred Astaire hatte nicht nur eine elegante Figur, er konnte sich auch elegant bewegen. Daher: nieder mit der pludrigen Bundfaltenhose. Anja Seeliger