Bündnis90 verläßt Stolpe-Ausschuß

■ In Potsdam entbrannte ein handfester Streit um den Zwischenbericht des Stolpe-Untersuchungsausschusses/ SPD und FDP hatten Entlastungspapiere durchgeboxt

Berlin (taz) — Das Bündnis90 ist empört, die Vertreter der CDU sprechen von einem handfesten Skandal — um den Zwischenbericht des Stolpe-Untersuchungsausschusses ist gestern im Potsdamer Landtag ein handfester Streit entbrannt. Das Bündnis kündigte seine Mitarbeit im Ausschuß auf, die CDU erwog, den selben Schritt nachzuvollziehen.

Am Donnerstag abend hatte der Ausschuß, der Licht in das Dunkel um die vielfältigen Beziehungen des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe zur Staatssicherheit bringen soll, ohne Diskussion und gegen die Stimmen von CDU und Bündnis90 die Annahme eines Zwischenberichtes beschlossen, den der Ausschußvorsitzende Lothar Bisky (PDS) vorgelegt hatte. Zuvor hatten sich die Bürgerrechtler ebenso wie die Christdemokraten grundsätzlich gegen einen Bericht an den Landtag zum gegenwärtigen Zeitpunkt ausgesprochen, da die Zeugenvernahme im Ausschuß noch nicht abgeschlossen ist.

War der Bericht als solcher schon auf Mißfallen gestoßen — der Inhalt des 32seitigen Papiers steigerte den Unmut. Unter dem Strich, hatte der Ausschußvorsitzende Bisky in seiner Vorlage resümiert, sei Stolpe zu keiner Zeit bereit gewesen, „im Rahmen seiner kirchlichen Tätigkeit inoffiziell mit dem MfS zusammenzuarbeiten“. Als der Bericht dann auf Antrag der FDP-Abgeordneten Rosemarie Fuchs am Donnerstag abend ohne Aussprache und ohne Diskussion von den Vertetern der SPD und der FDP durchgesetzt wurde, platzte erst dem Bündnis90, dann der CDU der Kragen. Das Bündnis, Mitglied der Brandenburger Regierungskoalition, suspendierte die Mitarbeit im Ausschuß.

Günter Nooke wertete gestern das Verhalten seiner AusschußkollegInnen auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz als „zutiefst undemokratisch“. Aufs „schärfste“ kritisierte er die „unsachliche und verantwortungslose Art in diesem Gremium, das Wahrheitsfindung nicht nur nicht zuläßt, sondern bewußt verhindert“. Die CDU erwägt nach den Worten ihres Fraktionschefs Helm nun auch, dem Ausschuß den Rücken zu kehren. Der Ausschüßler Kirchhoff nannte die Sitzung vom Vorabend „skandalös“, in dem Gremium solle offenbar die Meinungsäußerung der Parteien unterdrückt werden. Die CDU-Fraktion kündigte „ernsthafte und umfangreiche Konsequenzen“ an.

Im Namen der SPD wies der Landeschef der Sozialdemokraten, Steffen Reiche, alle Vorwürfe zurück. Er kündigte an, daß der Ausschuß am Dienstag wieder zusammenkomme und über weitere Anträge zur Zeugenvorladung befinden werde. Überlegungen, daß das Verhalten von FDP und SPD eine Krise der Ampelkoalition heraufbeschwören könnte, wollte Reiche nicht folgen. Im Gegenzug stellte er die Tätigkeit des Ausschusses insgesamt in Frage. Eine „ernsthafte Belastung“ Stolpes sei nicht zu erkennen, es müsse überlegt werden, ob die Arbeit des Ausschusses noch sinnvoll sei.

Die FDP-Abgeordnete Fuchs, die mit ihrem Antrag den Wirbel im Ausschuß ausgelöst hatte, bescheinigte dem Ausschuß eine „saubere Verfahrensweise“. Einen Konsens habe man sowieso nicht erwarten können. Entsprechend der Geschäftsordnung sei es daher möglich gewesen, das Papier in der vorliegenden Form zu beschließen. Den vehementen Protest der Bündnis-PolitikerInnen erklärte Fuchs auf ihre eigene Weise: Nooke habe nur nach einem Grund gesucht, „um aus dem Ausschuß herauszukommen“, er habe lediglich auf den Druck der Parteibasis reagiert, in der es eine Pro-Stolpe- Mehrheit gebe.

Nookes Parteifreundin, die Bildungsministerin Marianne Birthler, hatte in einer ersten Stellungnahme erklärt, sie wolle Auswirkungen auf die Ampelkoalition nicht ausschließen. Während SPD und FDP ihr Handeln im Ausschuß rechtfertigten, betrieb der Bündnis-Politiker Nooke vorsichtige Schadensbegrenzug: Die Aussage Birthlers sei offensichtlich mißverstanden worden. Das vom Bündnis heftig kritisierte Verhalten beziehe sich eindeutig nur auf die Verfahrensweise im Ausschuß. Es habe „keinerlei Auswirkung“ auf das „Bestehen der Koalition in Brandenburg“. Wolfgang Gast