Mit Ideal und Elvis im Paradies

■ »Adam und Eva im Bibelbeschleuniger« im Ratibor-Theater

Im Zeitalter von Mickey Mouse und Game Boy dürfte es für Religionslehrer westlicher Breiten immer schwieriger werden, den lieben Kleinen die Reize des Paradieses schmackhaft zu machen. Den ganzen Tag zwischen Palmen und Apfelbäumen im Grase zu liegen und vorbeischwebende Wolken mit frohlockenden Engeln zu beobachten, das klingt schwer nach nicht enden wollender Langeweile.

Nicht viel anders geht es da Adam und Eva im Ratibor-Theater. Ein Sparparadies aus fünf Quadratmetern Plastikrollrasen, vereinzelten Blumen selbigen Materials nebst einem blechernen Zuber zur Nahrungsbereitung haben die No-Budget-Produzenten zwischen die schwarzen Säulen der Spielstätte gezaubert. Seitlich erhöht sitzt eine Miniaturband, wie eine Jury hinter verhangenen Tischen aufgereiht. In einem Korbsessel mit majestätisch- ausladender Lehne thront auf einer Anhöhe Gott höchstselbst. Unter der Regie von Harald Klenk, der zugleich auch Autor dieses zwerchfellerschütternden Paradiesspiels ist, spielt Peter Landgrebe den Adam: ein naiver und wenig standfester Lederhosenbub mit blondem Bart und unbehaartem Oberkörper, der seine Knie mit überdimensionalen Marihuanablättern aus Plastik schützt. Als Erstgeborener der Menschheit bemüht er sich redlich, dem Schöpfer die Treue zu halten. »Ich werde dir jede Menge Opfer bringen«, verspricht er mit Dackelmiene dem großväterlichen Despoten. Die zum Weibe gewandelte Rippe namens Eva hingegen fängt schon bald nach ihrer Menschwerdung zu meckern an. »Da muß ein ganz schön komisches Gefühlsleben dahinterstecken« — psychologisiert Ute Wohlgemuth über den Allmächtigen, kaum daß sie des verbotenen Baumes mit rotem Boskop ansichtig wird. Schon bald hat sie von Affen, Löwen und der Liebeskunst ihres Gatten die Nase voll. Mit Charme und einem Minimum an Autoritätsgläubigkeit charakterisiert sie die Weiblichkeit als revolutionäres Potential der Menschheit.

Und dennoch, alles hätte so schön werden können, wäre da nicht Luzifer, von Einheimischen im Garten Eden auch schlicht Tante Luzie genannt. Das personifizierte Böse entsteigt den Untiefen der hauseigenen Bar und streckt dämonisch langes Beinwerk über das silberne Geländer. »Jeden Tag Sonntag macht blöde, Adam«, umzirzt sie den Lederhosenbub, hat dann aber bei der erlebnishungrigen Eva mehr Erfolg.

Tilman Schladebach spielt Gott als väterlichen Patriarchen, der mit honneckerschem Verlierergestus ein wankendes Imperium zu halten trachtet. In vagen Anspielungen preist er den Garten Eden als sozialistische Enklave ohne Privateigentum, die von antiparadiesischen Kräften in der Person des Teufels bedroht ist. Mit seiner Neigung zu Überprotektionismus, Jähzorn und Alkohol ist er die lächerliche Figur des Stücks, eine Rolle, die Schladebach mit viel Sinn zur Komik meistert. Seine Antipode, die teuflische Verführerin Ulrike Boie, gibt mit lasziven Bewegungen und gedehnter Stimme eine glaubhafte Dämonin ab. Sie ist eine Fürsprecherin kapitalistischer Tugenden wie Aggression, Erfolg und Konkurrenz. Bei einer Flasche Whiskey luchst sie Gott das Recht auf Adams Seele ab, falls er ihren Anfechtungen nicht standhalten sollte. Der weiß dann als letzten Trumpf nur das Jüngste Gericht ins Feld zu führen. Diverse Gesangseinlagen zumeist bekannter Melodien von Michael Jackson über Ideal und Elvis, aber mit eigenen deutschen Texten begleiten den Zuschauer durchs Paradies. Man singt ohne Mikro, und die Band aus dem Hinterhalt untermalt mit lockeren Sambarhythmen und dezenten Klängen aus dem E-Piano.

Weil man sich im Bibelbeschleuniger befindet, muß nun alles ganz schnell gehen. Nach der unvermeidlichen Apfelszene geht es also in irdische Gefilde, und eh' man sich versieht, befindet man sich bereits mitten im Weltuntergang. Hier verläßt die Truppe das bewährte Repertoire der Klamotte. Mit einem Stakkato abgehackter Sätze rekapituliert das moderne Paar die Stationen einer Ehe, nun da die letzte Stunde schlägt. Mozarts Requiem ertönt zur Todesstunde, als vielstimmiger Gesang ist es das schönste Stück des Abends. Etwas überstürzt kommt mit dem Jüngsten Gericht auch sogleich das Ende des Stücks herbei. Hier hat es wohl an längerer Probezeit gefehlt. Jantje Hannover

Noch bis zum 12. Juli Do.-So. 21.00 Uhr, Ratibor-Theater, Kreuzberg, Cuvrystraße 20