Zur Lage von Studentinnen an den Hochschulen

■ Tagung an der FU zur Frauenforschung und Frauenförderung: Referentinnen aus der ganzen Bundesrepublik präsentierten neues Material

Zehlendorf. Sind Frauenforschung und Frauenförderung sinnvoll, um die Situation der Studentinnen an den Universitäten zu verbessern? Oder tragen sie vielmehr zu einer verstärkten Geschlechterdifferenzierung bei und konterkarieren somit die Bemühungen der feministischen Bewegung der vergangenen Jahrzehnte? Diese und andere Fragestellungen diskutierten in der vergangenen Woche rund 50 Vertreterinnen von Hochschulen aus dem gesamten Bundesgebiet auf einer zweitägigen Fachtagung mit dem Thema »Studentinnen im Blick der Hochschulforschung: Empirie und Studienreform«. Die Tagung organisierten Vertreterinnen der »Zentraleinrichtung (ZE) zur Förderung von Frauenstudien und Frauenforschung« und der »Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung« an der FU Berlin.

Die neun Referentinnen lieferten eine Fülle von Material über die »Universität als Studienort für Frauen«, »Studienbedingungen in männerdominierten Fachdisziplinen« sowie »Probleme studierender Mütter, Ausländerinnen und Arbeitertöchter«. In diesem Zusammenhang stellten die Organisatorinnen der Tagung das Pilotprojekt der Freien Universität Berlin: »Frauenförderung als Beitrag zur Studienreform«, vor, das seit Januar 1991 existiert und vorerst bis Ende 1992 laufen soll. Es wird mit Sondermitteln für Studienreformprojekte finanziert und verfolgt schwerpunktmäßig das Ziel, die Studiensituation von Frauen zu verbessern. Das Projekt beinhaltet die Organisation studienbegleitender Workshops, beispielsweise Computerkurse oder Bewerbungs-Workshops für ausschließlich weibliche Studierende. »Ein Studienhandbuch und ein Fragebogen zur Studiensituation und beruflichen Planung von Studentinnen im Hauptstudium an der FU Berlin sind zur Zeit in der Vorbereitung«, erklärte die Diplom-Soziologin Helga Lind, Mitarbeiterin in diesem Projekt.

Johanna Kootz von der ZE Frauenstudien/Frauenforschung beklagte, daß der Anteil der Studentinnen zwar mittlerweile 50 Prozent betrage, das Thema Frauen falle jedoch bei der Umstrukturierung der Hochschulen kaum ins Gewicht. An der FU mit 32 Studentinnen aus 16 Fachbereichen durchgeführte Interviews ergaben, daß Frauen strukturelle Defizite der Uni auf sich nehmen, die Anonymität bemängelten und feministische Lehrinhalte vermißten, referierte die Politikstudentin Ilona Kiarang.

Zwei Studien: »Studienbedingungen in männerdominierten Fachdisziplinen« und »Frauen im Studium«, ergaben, daß Frauen in naturwissenschaftlichen Fächern unterrepräsentiert sind. An der TU München beispielsweise, konnte Ute Kort-Krieger berichten, betrage der Frauenanteil insgesamt 23 Prozent, in den männerdominierten Ingenieurwissenschaften jedoch nur 3 Prozent, bei der Hauswirtschaftslehre hingegen 93 Prozent. Anders verhielten sich dabei Mädchen, die an nicht-gemischten Schulen ihr Abitur gemacht hatten. Denn sie wählten überproportional das Fach Informatik. Der Anteil von Studienanfängerinnen in diesem Fach sinke jedoch insgesamt. Das liegt nach Meinung von Christine Roloff von der Uni Dortmund daran, daß es in der Schule als Fach eingeführt worden sei. Damit besetzten die Jungen schon früh dieses Gebiet.

Befragungen unter 2.200 Studentinnen an der Universität Bayreuth ergaben, daß Diskriminierungen von Studentinnen eine Frage der Wahrnehmung sei, die mit den jeweiligen Fächern zusammenhänge, erklärte Monika Frommelt. Geisteswissenschaftlerinnen fühlten sich demnach eher diskriminiert als Frauen im Jura- oder Wirtschaftsstudium.

Zum Ende der Tagung stellte Angelika Wetterer von der Gesamthochschule Kassel Frauenfördermaßnahmen in Frage. Frauenforschung zementiere die Geschlechterdifferenz, anstatt auf eine Enthierarchisierung und Dekonstruktion dieser Differenz hinzuarbeiten. Das sei kontraproduktiv. Der Begriff »Förderung« impliziere die Abhängigkeit von einem Förderer und reproduziere ständig die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Auch sollte sich die Frauenförderung von der Illusion befreien, Qualifikation verbessere die gesellschaftliche Stellung der Frauen. Trotzdem waren sich die Teilnehmerinnen der Tagung weitgehend einig, daß Frauenforschung und -förderung sinnvoll sind. Susanne Landwehr