Pitching Picknick

■ Die Berliner Baseball-Challengers müssen nach der 7:8-Niederlage gegen Hamburger Mariners um die Play-Offs bangen

Charlottenburg. Männe, pack die Kühlboxen ein! Die Stullen eingewickelt, die Palette Paderborner kaltgestellt, so ziehen wir hinaus zum Baseball ins Westend. Lou Reed empfängt uns unter schattigen Bäumen mit einer Einladung zum walk on the wild side. Wir lagern uns ins Gras, krempeln die Ärmel auf und lassen Babe Ruth einen guten Mann sein. Hier spielen die Berlin Challengers gegen die Hamburger Mariners, Baseball-Bundesliga Nord, es geht allmählich um die Teilnahme an den Play-Offs. Unverdrossen laufen die Berliner auf, die sich immer gern gegen schwächere Gegner blamieren. Eine äußerst coole Socke am Mikro, halb Stadionsprecher, halb Bademeister, führt uns durch das Spielgeschehen. Wenn es hier noch Popcorn gäbe, wäre unser Glück vollkommen.

Das Match gestaltet sich zunächst recht übersichtlich. Die Berliner stehen auf den drei Bases herum und werden regelmäßig abgeschossen. Auch die Hamburger Truppe bekommt in der Offensive kein Bein auf den Boden. Die Schlachtenbummler stimmen sich erst ein, Berliner Gören aus dem Westen, Kleinfamilien aus dem Ostteil der Stadt. Versuchen sich die Mädels als quietschvergnügte Cheerleader, so werden die Berliner Spieler prompt tomatenrot und schultern ihre Keule mit männlich fester Kraft. Den Neandertalern gleich, so ziehen sie hinaus aufs weite Feld, ihrer Liebsten einen Baseball zu erlegen und dann nach Hause zu rennen. Hier kommt ein Knuckleball! Die Keule hämmert durch die Luft. Ein Fastball hinterdrein! Der Kämpfer rührt sich nicht. Ein Mud Ball trudelt auf ihn zu, der Mann holt aus, er zielt und trifft den Ball mit voller Wucht. Und unser Held nimmt Anlauf auf die erste Base. Wir reißen uns die nächste Dose auf.

Seit Mitte der Achtziger boomt Baseball auch in deutschen Landen. Ein wenig spät, ist doch die hohe Zeit des Spielens längst vorbei. In den Vierzigern und Fünfzigern stand das amerikanische Nationalspiel im imperialen Glanz. Die Japaner lösten nach dem Krieg ihre Kollektivschuld ein, indem sie gründlich Baseball lernten. Und heute soll die beste amerikanische Truppe von einem japanischen Konzern gekauft werden. In Deutschland backt man kleinere Brötchen. International drittklassig, dümpeln die Vereine in ihren Ligen dahin. Infolge einiger Modetrends bekam auch die deutsche Jugend Wind vom Baseball. Geeignete Spielfelder fehlen, gute Trainer ebenso. Sponsoren werden händeringend gesucht. Das Fernsehen kommt nur selten, die Regeln gleichen gutgesicherten Mysterien. Zur Zeit ist Baseball hierzulande ein großes Spiel in Kinderschuhen.

Im fünften Inning werden die Berliner kalt erwischt. Gemächlich schlurfen sie von Base zu Base, und liegen plötzlich mit 0:6 im Rückstand. Verwirrung allenthalben, selbst die Hamburger greifen sich an den Kopf, die Zuschauer sind entsetzt. Den Challengers rutscht jeder Ball durch die Finger, kullert munter übers Grün, und ein Mariner nach dem anderen trudelt über die letzte Base. Nur zögerlich die Aufmunterungen aus dem Berliner Fanblock. „Let's go, Willie, let's go!“

Und Willie geht tatsächlich ab. In der buntscheckigen Berliner Truppe stehen nicht nur ein Nationalspieler aus der Dominikanischen Republik, sondern auch Cracks aus Kuba, Venezuela und Marzahn. Sie rollen nun das Feld von hinten auf. Im achten Inning führen sie unter frenetischem Applaus der Fans mit 7:6, um gleich darauf das ganze Spiel mit 7:8 zu verlieren. Drei Stunden dauert das Drama. Wir machen unsere Kühlbox zu, während der Stadionsprecher unseren Schmerz zu lindern versucht, indem er Always look on the bright side of life auflegt. Die Meisterrunde liegt für den Berliner Baseball in einiger Ferne. Die Olle hinten rollt die restliche Bulette zu einem Ball und wirft sie ihrem Männe zu, dem mit der leeren Flasche Bier der größte Schlag gelingt. Das Hackfleisch fliegt in alle Winde, und Männe tritt den Homerun an. Olga O'Groschen