WIRLASSENLESEN: Born to be Boris
■ Boris B.: 288 Seiten zu unerklärlichen 192 Zentimetern
Halt, Stopp, nicht weglaufen, keine Angst, er war es nicht selber. Das Buch Boris B. hat nicht etwa das Sprachgenie aus Leimen verfaßt. Warum sollte er auch, wo sich doch eine Schar von Journalisten, Wissenschaftler und Dichtern tagtäglich das Hirn martert über das, was er ist — ein Phänomen. Wie aber kommt man einem Phänomen bei? Indem man es aus allen nur denkbaren Winkeln betrachtet. So machten sich 15 Autoren und zwei Autorinnen, auf den beschwerlichen Weg, dem Wesen des Tennisspielers Boris B. auf die Schliche zu kommen — nicht in der Pose der Heldenverehrung, wie Herbert Riehl-Heyse im Vorwort versichert. Schön wär's, stimmt aber nicht. Nur wenige Beiträge kommt aus ohne gewaltige Methaphern aus der Welt der Götter, Helden und Heiligen. Den Vogel in Sachen pathetischer Dramatik schoß Martin Walser ab. In Boris und Steffi erkennt er den „Anfang zu einem Sternbild“, und fordert, eine „Religion darauf zu gründen“. Wenig später gibt er zu, daß Becker ihm nicht zuletzt so nah ist, weil er ein Landsmann sei. Ebenfalls mehr über den Autor als über Becker erfährt man bei Tennisreporter Ulrich Kaiser, der sich wie eine lästige Anstandsdame ständig in die Liebesgeschichte zwischen Lady Wimbledon und dem jungen Becker mischt. Leider das Thema verfehlt hat der Soziologe Graf von Krockow, der im Tennisspiel den „Darwinistischen Daseinskampf der Weltelite um Aufstieg oder Fall“ ausmacht und, begeistert von seinem Ansatz, kaum noch Zeit hat, auf Becker einzugehen — glücklicherweise.
Was dann folgt, ist erhellend: Boris Becker in allen nur denkbaren Facetten. Doris Henkel bringt uns den Menschen durch seinen Aufschlag näher, Ludger Schulze stellt Beckers Gegner dar, Helmut Markwort beleuchtet, was Becker aus, mit und wegen den Medien gemacht hat, und Asta Scheib ärgert sich darüber. Eine fanatische Becker-Verehrerin widersteht den hartnäckigen Versuchen des gerissenen Fragesteller Arno Luik, ihre Liebe zu Becker auf die Sex- Schiene zu heben, und Hans-Josef Justen bricht eine Lanze für Becker-Manager Ion Tiriac. Brilliant ist der Beitrag des Herausgebers. Riehl-Heyse hält sich nicht auf mit dem Inhalt der Becker-Worte, er ordnet sie ein: „Spannend sind solche Meinungsäußerungen nur, wenn man mit ansehen kann, daß sich da einer — trotz gewaltigen Drucks — nicht verbiegen läßt.“ Der Schluß seiner Analyse spricht vielen aus dem Herzen: „Mit so einem muß man sich wenigstens nicht genieren.“ Die entscheidende Frage jedoch, warum Becker so ist und nicht anders, warum er Sommersprossen hat und nicht Jürgen heißt, beantwortet Axel Hacke, der sich mit dem Tennisgott Hadrulampi zum Abenteuerurlaub auf dem Gesicht Boris Beckers traf. Schließlich wagte es einer, Becker Tips zu geben: Kabarettist Werner Schneyder weihte Boris Becker in die höheren Sphären psychologischer Matchführung ein. Vollgefressen soll er auf den Platz treten, übergewichtig und überheblich. Spätestens dann ist er einer von uns. miß
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