Polens Stasi-Debatte vorläufig beendet

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts wurde Innenminister Maciererwicz abgewählt  ■ Aus Warschau K. Bachmann

Für Polens Innenminister Macierewicz war es ein schwarzes Wochenende: Am Samstag erklärte der Verfassungsgerichtshof den Beschluß des Parlaments, hochrangige Politiker auf ihre Stasi-Verbindungen hin zu überprüfen, für verfassungswidrig. Macierewicz, den man am 28.Mai mit dieser Aufgabe betraut hatte, wurde abgewählt. Gelingt es dem Parlament nicht, innerhalb von drei Monaten ein verfassungskonformes Gesetz auszuarbeiten, wird der alte Beschluß automatisch nichtig.

Auch hat sich herausgestellt, daß Macierewiczs berühmt-berüchtigte Agentenlisten rechtswidrig zustande kamen. Ihre Veröffentlichung steht nach gültigem Gesetz zwar weiter unter Strafe, doch sind die meisten der auf den Listen befindlichen Namen inzwischen ohnehin bekannt. Betroffene Personen erhoben nämlich Protest dagegen, daß Macierewicz sie zu Agenten erklärt hatte, und ließen ihre Akten von Kollegen gegenprüfen. Heraus kam dabei, daß Macierewiczs Agentenjäger, meist Studenten oder Auszubildende, weder über archivarische noch historische Kenntnisse verfügen. Offenbar hatten sie auf ihren Listen Stasi-Spitzel und Stasi-Opfer wild durcheinandergemischt.

Prominentestes Listenopfer ist Präsident Walesa, dessen Akten gerade von einem Untersuchungsausschuß des Parlaments geprüft werden. Sejmmarschall Chrzanowski haben Kollegen inzwischen bestätigt, daß er zu Unrecht verdächtigt wurde. Die Listen sind inzwischen so in Verruf geraten, daß keine Partei bisher irgendwelche Schritte selbst gegen jene Abgeordnete in ihren Reihen unternommen hat, deren Stasi- Kollaboration als sicher gilt.

Trotzdem hat die Listenaffäre zu einer Polarisierung der Parteienlandschaft geführt. Premier Olszewski ist mit eigener Fraktion aus seiner Partei ausgetreten und steht seither an der Spitze einer Kampagne gegen die „Rekommunisierung“ Polens. So nennt er den Versuch des neugewählten Premiers Pawlak, eine Regierung zu bilden. Das Verfassungsgericht hält er gar für ein „Überbleibsel des Kriegszustandes“.

Aufgrund der so aufgebrochenen Gräben sind nun auch Pawlaks Versuche einer Regierungsbildung steckengeblieben. Am Wochenende verabschiedete sich die Konföderation Unabhängiges Polen. So bliebe für Pawlak nur noch ein Minderheitskabinett aus Demokratischer Union, Liberalen und Bauernpartei. Zentrum, Christnationale und Solidarność-Bauern würden sich zwar an einer Regierung beteiligen, lehnen ihn jedoch als Premier ab. Angesichts des Patts will nun Präsident Walesa die Initiative ergreifen. Es gilt als nicht ausgeschlossen, daß Walesa versuchen wird, Pawlaks Mission zu beenden. Mögliche Nachfolger sind vor allem Politiker der Demokratischen Union: Tadeusz Mazowiecki, Aleksander Hall und der ehemalige Innenminister Krzysztof Kozlowski.