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Hafenpläne: Milliarden in Sand gesetzt?

Hamburg und Bremen wollen ihre Häfen erweitern/ Experten äußern Zweifel am wirtschaftlichen Sinn des milliardenteuren Baggerspektakels/ Hanseatische Hafenlobby ist über Gutachter entsetzt  ■ Aus Hamburg Florian Marten

Sind die großen Hafenprojekte nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch ökonomisch blanker Unsinn? Ein Gutachten von Wissenschaftlern der Uni Bremen und der TU Hamburg-Harburg stellt der geplanten Vertiefung der Außenweser und dem Ausbau der Bremer Häfen ein herbes Prädikat aus: „Die geplanten Maßnahmen sind ökonomisch nicht tragfähig“, schreiben die Experten, „das Land Bremen und die Verantwortlichen im Hafen- und Wirtschaftsressort sollten die Zeichen der Zeit erkennen und die offenkundig verfügbaren Mittel in zukunftsträchtigen Bereichen investieren.“

Das von der Aktionskonferenz Nordsee (AKN), einem Zusammenschluß renommierter Umweltverbände, in Auftrag gegebene Gutachten hat in den Hafenstädten Bremen und Hamburg wie eine Bombe eingeschlagen. Erstmals wurde der alte Investitionsautomatismus — „was gut ist für die Hafenlobby, ist auch gut für die Stadt“ — einer kritischen Überprüfung unterzogen: Fragwürdige Gefälligkeitsgutachten, falsche Zahlen und blinder Hafenfetischismus, so das Fazit der AKN-Gutachter, dienten den Bauherren als Grundlage überflüssiger Investitionen. Das AKN-Gutachten muß auch Umweltschützer aufhorchen lassen, die sich bei Großprojekten oft allzu leicht mit Ausgleichsmaßnahmen und Umweltverträglichkeitsprüfungen abspeisen lassen. Es legt nämlich nahe, bei Großprojekten generell nach dem Sinn zu fragen und Alternativen zu prüfen, bevor man die Planungsmaschinerie anlaufen läßt.

Vor zwei Jahren frohlockte Hamburg über Einheit und offenen Osten. Die Stadt sah sich urplötzlich im Fadenkreuz der Weltökonomie. Die Konsequenz war klar: Der Hafen mußte ausgeweitet, die Elbe bis Cuxhaven ausgebaggert werden, wollte man diese einmalige historische Chance nicht verpassen. Dann lief die Maschinerie an: Hafenbosse forderten den Ausbau, Stadtbehörden stimmten zu, Gutachten wurden bestellt, Umweltverbände eingeladen, in Bonn Druck gemacht.

Das Ergebnis war prima: Die Gutachter des Essener Planco-Institutes attestierten, eine Elbvertiefung rechne sich wirtschaftlich. Die Umweltverbände freuten sich über die zugesagten umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen und signalisierten ihre Zustimmung zur Baggerei. Auch die Regierung gab grünes Licht: Der Elbeausbau steht im neuen Bundesverkehrswegplan. Gut eine Milliarde Mark wird allein die Vertiefung der Unterelbe bis Cuxhaven kosten. Eine weitere halbe Milliarde Mark will Hamburg sich den Hafenausbau kosten lassen: Das ehemalige Fischer- und Obstbauerndorf Altenwerder soll endgültig plattgewalzt, mit giftigem Elbschlick zugeschüttet und in etwa 15 Jahren als Containerterminal und Güterverkehrszentrum genutzt werden. Als Ausgleich will sich Hamburg die gut 100 Millionen Mark teure Renaturierung der Südelbe leisten, die 1962 nach der verheerenden Sturmflut mit Deichen abgeschnitten wurde. Ähnlich verlief die Bremer Inszenierung: Um vom wieder erstarkten Hamburg nicht an der Rand gedrängt zu werden, müsse Bremen in eine Vertiefung der Außenweser (Kosten: 90 Millionen Mark) und ein neues gigantisches Containerterminal (750 Millionen Mark) investieren. Auch hier begutachtete Planco zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber. In Bremen trägt die Hafenerweiterung sogar den Okay-Stempel der Grünen.

In Hamburg soll das Investitionsspektakel die Gunst der Stunde nutzen helfen, in Bremen die Bedrohung durch die Konkurrenz durch Investitionswettbewerb bändigen. Die AKN-Gutachter halten beides für Quatsch: Heute folge „das Schiff der Ladung“ — dadurch werde Hamburg profitieren und Bremen Schwierigkeiten bekommen. Gerade deshalb, so die Argumentation, müsse sich Bremen neu orientieren und nicht platt auf Tonnen und Containerstückzahlen schauen. Dabei zerpflücken die Wissenschaftler genüßlich das Thesengebäude der Planco-Gutachter von einer Welt immer größerer Schiffe mit immer gewaltigerem Tiefgang, die an immer bombastischeren Containerterminals andocken. Selbst Schiffe der sogenannten Post-Panmax-Klasse, die schon nicht mehr durch den Panamakanal passen, kämen mit den heute in Elbe und Weser vorhandenen Wassertiefen bestens aus. Und Häfen wie Hongkong und Seattle bewiesen mit moderner Technik und geschicktem Containerhandling, wie man ohne Flächenfraß auch wachsende Containermengen bewältigen kann.

In Hamburg wird inzwischen der Sachzwang Hafenwachstum in Frage gestellt. Der renommierte Regionalökonom Dieter Läpple forderte kürzlich, die bisherige Hafenlogik einfach umzudrehen: „Stadthafen statt Hafenstadt.“ Die Hafenplaner sollten nicht zentrale Flächen für billige Containerlagerei verschleudern. Die Hafenlobby jaulte auf: Läpple solle sich mit kritischen öffentlichen Äußerungen zurückhalten, sonst werde er keine städtischen Gutachteraufträge mehr erhalten.

In Bremen fielen Hafenwirtschaft und Ampelkoalition einträchtig über die Hafengutachter her. Die eigenen Wachstumsgutachten seien seriös, die AKN-Gutachter einäugig, so Hafensenator Uwe Beckmeyer. Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) dröhnte gar: „Wir lassen uns nicht durch Äußerungen von Wissenschaftlern erschüttern.“ Besonders pikant ist die Situation für die Regierungs-Grünen: Sie verteidigen ihre Zustimmung zu den Hafenausbauplänen mit dem flauen Hinweis, die Umweltverträglichkeitsprüfungen stünden ja noch aus. Die AKN-Gutachter beschreiben den derart dokumentierten blindwütigen Hafenfilz nüchtern so: „Die Dominanz der maritimen Industrien in den Wirtschaftsverbänden und ihre enge Verflechtung mit politischen Akteuren in den großen norddeutschen Hafenstädten führen zu einer Blockade der Wirtschaftspolitik. Damit werden langfristig Entwicklungsperpektiven für eine sozial- und umweltverträgliche Entwicklung der Stadtregionen verschenkt.“

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