Boule im Flügel

■ Der Petersburger Komponist Sergej Belimov über Geld und phantastische Töne

Auf Einladung von Dacapo stellte das St. Petersburg-Streichquartett am Sonntag abend in der Galerie Rabus Quartett-Musik aus GUSland vor - u.a. das in Dresden 1985 preisgekrönte 1. Streichquartett von Sergej Belinov. Der 41jährige Komponist war anwesend; wir nutzten die Gelegenheit für ein paar Nachfragen.

Die Bedingungen für Komponisten in Leningrad, heute Petersburg, haben sich verändert — welche sind Ihnen lieber?

Sergej Belinov: Schwer zu entscheiden: Kulturministerium oder Markt. Die Künstler hatten ja einen gewissen Spielraum. Musik ist zudem nicht so faßbar, kontrollierbar wie bildende Kunst. Die Künstler hatten viel Zeit nachzudenken. Im Sozialismus wurde man ja praktisch bezahlt, ob man arbeitete oder nicht, das war sehr sozial. Für den Kompositionsauftrag einer Symphonie habe ich soviel Geld bekommen, daß ich ein Jahr lang davon leben konnte. Jetzt bekomme ich zwar dasselbe Geld, aber die Preise sind extrem gestiegen — es reicht vielleicht für vier Wochen. Die Zeit wird knapper und knapper, jetzt muß man unablässig an das Geld denken.

Hat sich Ihre Musik verändert?

Nein.

Überhaupt nicht?

Nein.

Ihr Streichquartett mischt klassische Elemente mit modernen...

Die klassischen Harmonien sind Zitate. Dagegen ist diese westeuropäische Neoromantik viel konservativer. Die Musik ist in den 70er, 80er Jahren in eine Krise geraten, viele Komponisten haben ihren Stil verändert, zum Beispiel Krysztof Penderecki. Das ist eine Krise des Denkens: Wir haben ja gedacht, wir könnten sein fast wie Gott. Nun haben wir festgestellt, daß wir die Menschheit nur zerstören. Auch Lenin war in diesem Sinne ein Kind der Renaissance: Ich kann alles. Ich kann zum Beispiel die Mongolei nehmen und sie Etappen überspringen lassen... Das geht nicht.

Wenn man in einem Dom steht, dann spürt man etwas von dem Respekt, den die Menschen damals hatten — vor den Bindungen, in denen ihr Leben sich vollzieht. Auch in der damaligen Musik spürt man das. Deswegen suchen heute die Musiker nach diesen Formen aus ursprünglichen Musikkulturen, daran erinnern die Zitate aus gregorianischen Gesängen in dem Streichquartett.

Schreiben sie immer Musik für die klassischen Instrumente?

Nein, ich mache auch Kompositionen für Flöte und Tonband. In Italien wird im Juli ein neues Stück aufgeführt für Klavier, präpariert mit chinesischen Kugeln. Wenn die langsam über die Saiten rollen, gibt es ein ganz feines Glissando — auf dem Klavier! Ein phantastischer Ton (summt das phantastische Glissando) Fragen: K.W.