Verfassungsklage gegen Bonn in Vorbereitung

■ Senat will gegen Waigel klagen/ Der Haushalt 1993: Steueraufkommen steigt, Bonner Zuschüsse sinken

Berlin. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) gab sich gestern tatkräftig. Die Verfassungsklage, mit der Bonn zur Finanzhilfe gezwungen werden soll, sei »schon in Vorbereitung«. Eine renommierte Anwaltskanzlei mit Erfahrung in Karlsruhe arbeite an dem Schriftsatz, der eingereicht werden soll, wenn die Verhandlungen mit Bundesfinanzminister Theo Waigel scheitern.

Berlin selbst habe bereits Vorbildliches geleistet, klopfte sich Pieroth auf die Schultern. Mit einem Volumen von 42,6 Milliarden werde der Haushalt 1993 eine Zuwachsrate von nur knapp zwei Prozent haben. Trotz der Kosten für den Aufbau Ost-Berlins sei dies die niedrigste Rate »aller öffentlichen Haushalte der Bundesrepublik«.

Der größte Ausgabenposten sind nach den bisherigen Zahlen mit etwa 14 Milliarden Mark (plus 250 Millionen) erneut die Personalkosten. Auch die Investitionen, die in diesem Jahr bei 6,5 Milliarden liegen, werden nach den letzten Aussagen des Senators nicht sinken, sondern steigen.

Betrachtet man die Einnahmenseite, werden die Ursachen des alljährlichen Milliardendefizits rasch klar. Nur knapp ein Drittel seiner Einnahmen, nämlich 13,8 Milliarden Mark, erzielt der Senat aus Steuern. Trotzdem ist dies für Berliner Verhältnisse eine Rekordsumme. 1990 waren es in West-Berlin nur 6,2 Milliarden. Bis 1996 soll die Steuersumme auf 18,5 Milliarden steigen.

Wie in den Haushaltsplänen für 1991 und 1992 hat der Finanzsenator erneut eine Nettoneuverschuldung von 5,8 Milliarden Mark angesetzt.

2,49 Milliarden Mark bezieht die Stadt 1993 aus dem Fonds Deutsche Einheit, 86 Millionen weniger als in diesem Jahr. Noch drastischer soll nach dem Willen des Bundesfinanzministers die Berlinhilfe schrumpfen, also der direkte Haushaltszuschuß, den der Bund seit den Zeiten der Teilung alljährlich nach West-Berlin überweist. Vor dem Mauerfall kam jede zweite Mark, die der Senat ausgab, aus Bonn. 1993 will Waigel nur noch 9,6 Milliarden bezahlen und damit 3,6 Milliarden weniger als 1992 und 1,5 Milliarden weniger, als in der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes zugesagt wurde.

Ob eine Verfassungsklage den Bundesfinanzminister umstimmen könnte, ist umstritten. Bündnis 90/Grüne und PDS verwiesen gestern auf ein im Mai 1991 von den Grünen vorgelegtes Rechtsgutachten, das dem Senat geringe Chancen zugebilligt hatte. Inzwischen könnte es aber »neue Gesichtspunkte« geben, sagte gestern der damalige Gutachter, der Rechtsanwalt und ehemalige grüne Staatssekretär Klaus Groth: Das Bundesverfassungsgericht hatte vor wenigen Wochen geurteilt, der Bund sei durchaus verpflichtet, Bundesländern aus einer finanziellen Notlage zu helfen. hmt