Längerfristig sitzen die Frauen auf dem stärkeren Ast

■ Interview mit Cheryl Benard, Frauen- und Beziehungsforscherin vom feministischen AutorInnenduo Benard/Schlaffer

taz: In Ihrem vorletzten Buch „Laßt endlich die Männer in Ruhe“ rufen Sie die Frauen auf, abzulassen von der nervtötenden Männer-Umgestaltung („Wir müssen mal über unsere Beziehung sprechen!“). Stattdessen schlagen Sie unter anderem ein neues Prinzip vor, das auch die UNO zunehmend anwendet: Sanktionen.

Cheryl Benard: Der UNO-Vergleich ist wirklich gut: Frauen neigen dazu, großartige Resolutionen zu verkünden, Dekaden auszurufen und Reden zu halten, wo eine schlichte Anordnung wesentlich wirkungsvoller wäre. Was jedoch die Frauen in ihren privaten Interaktionen anbelangt, müssen wir nicht gleich über Sanktionen nachdenken. Hier ist etwas anderes wichtig: Die Frau muß einen Standpunkt haben, sie muß ihn dem Partner deutlich machen, und sie muß sich dann auch daran halten. Nur ganz wenige Frauen besprechen zum Beispiel mit ihrem prospektiven Partner, wie sie sich das gemeinsame Leben vorstellen und was ihnen persönlich dabei wichtig ist. Sie hoffen, daß ihr Partner fair sein wird, daß alles sich irgendwie fügen wird, daß man sich irgendwie einigen wird... In Rückwärts und auf Stöckelschuhen haben wir 10 Techniken vorgestellt, wie man den Partner dazu bringen kann, sich im Haushalt zu beteiligen. Also nicht „Deine Mutter hat dich verwöhnt, du hilfst nie mit, ich muß immer alles alleine machen“, sondern einfach: „Würdest du jetzt bitte das Geschirr abwaschen?“ Doch darüberhinaus haben Frauen natürlich auch Druckmittel in der Hand, Druckmittel der massivsten Art. Als Wählerinnen, als Fachkräfte, als Käuferinnen, in jedem Bereich verfügen Frauen über Macht — aber sie verwenden diese Macht nicht.

Nicht nur in der Ökonomie des Geldes, auch in der Ökonomie der Gefühle existiert ein Machtgefälle. Die Frauen sind — allzu? — freigiebig, die Männer Meister der minimal art der Emotionen. Oder deutet sich nach Ihren Untersuchungen ein neues ökonomisches Modell an?

Wir leben in einer Zeit, in der sich das Zusammenleben der Menschen von Grund auf neu strukturiert. Mehr als die Hälfte aller Kinder wird nicht mit beiden biologischen Eltern aufwachsen, mehr als die Hälfte aller Ehen endet mit einer Trennung. Das emotionale Unglück vieler Frauen, ihre Unzufriedenheit mit ihrer Beziehung und mit dem emotionalen Verhalten ihres Partners ist nur ein Teil dieser großen Revolution des Zusammenlebens. Irgendwann wird ein neues Gleichgewicht entstehen, weil soziale Strukturen immer ein neues Gleichgewicht finden.

Die Frauen haben sich unglaublich verändert, aber die Männer haben nicht mitgezogen. Sie haben für sich keine neue Rolle gefunden, als Väter, als Partner. Die Beziehung zwischen Frauen und Kindern funktioniert gut — in makabrer Weise ist die „Feminisierung der Armut“ ein Beweis dafür, wie haltbar die Mutter-Kind-Beziehung auch unter größten Belastungen ist. Die Vater- Kind-Beziehung, vor allem aber die Mutter-Vater-Beziehung hat diese Entwicklung versäumt. Wenn die Männer sich nicht darauf einstellen können, daß die Welt anders geworden ist, werden sie zunehmend aus der Familie ausgeschlossen werden. Längerfristig sitzen die Frauen auf dem stärkeren Ast. Denn auf die Mutter-Kind-Beziehung kann die Gesellschaft nicht verzichten; die bleibt, und längerfristig wird die Ökonomie diese Beziehung stützen müssen.

Ihr neuestes Buch trägt den wunderbar optimistischen Titel „Grenzenlos weiblich — Europas schwaches Geschlecht stark im Kommen“. Auf wann datieren Sie die weibliche Machtergreifung in Europa?

Die ökonomischen Daten berechtigen absolut zu Optimismus. Die Industrie prognostiziert für die nächsten Jahre einen absoluten Mangel an qualifizierten Leuten und weiß, daß sie diesen Mangel nur mit weiblichen Fachkräften füllen kann. Der Weg zu flexibleren Arbeitsbedingungen, mehr Geld und einer besseren Möglichkeit, Beruf und Familie zu verbinden, liegt also nicht im Frauenberuf, sondern über die bestmögliche berufliche Qualifikation.

Leider bin ich nicht so optimistisch. In den USA diskutieren manche Kreise die „Remaskulinisierung der Gesellschaft“, in Irland sollen 14jährige vergewaltigte Mädchen ihr Kind austragen müssen, in Ostdeutschland werden die früher relativ egalitären Beziehungen zwischen Mann und Frau nun zu patriarchalischen umgeformt, wobei sich viel Gewalt entlädt, und so weiter. Wenn man sich die historischen Zyklen ansieht, wie sie beispielsweise Kate Millett in ihrem Buch Sexus und Herrschaft entworfen hat, scheint uns dann nicht eher wieder eine Zeit der sexuellen Konterrevolution und der Stärkung männlicher Macht ins Haus zu stehen?

Es klingt paradox, aber der sogenannte „backlash“ ist in Wirklichkeit ein gutes Zeichen: ein Zeichen, daß wir endlich ernstgenommen werden. Als unsere Mütter jung waren, gab es an den Universitäten noch einige Fakultäten, die für Frauen nicht zugelassen waren; war die aufopfernde Hausfrau noch selbstverständliches Frauenvorbild. Wir befinden uns in einem Übergangsstadium, und zwar noch in den allerersten Abschnitten dieses Stadiums. Das trifft auch für Ostdeutschland zu; hier wird noch eine enorme Auseinandersetzung stattfinden — historisch gesehen hat die Revolution gerade erst begonnen. Interview: Ute Scheub