INTERVIEW: Für eine eigenständige soziale Sicherung
■ Karin Junker, Vorsitzende der ASF, zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften
taz: Wie beurteilt die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) die Regelung, daß bei Arbeitslosen, die in nichtehelichen Lebensgemeinschaften leben, das Einkommen der PartnerInnen bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe herangezogen wird?
Karin Junker: Dagegen haben wir uns schon solange ich mich erinnern kann gewandt. Wenn einerseits die Nachteile einer Partnerschaft in Kauf genommen werden müssen und hier eine gegenseitige Unterhaltspflicht erkannt wird, ohne aber andererseits Privilegien einzuräumen, ist das natürlich ein unhaltbarer Zustand.
Welche Reformvorschläge hat die ASF für nichteheliche Lebensgemeinschaften?
Wir wollen prinzipiell die rechtliche Anerkennung aller Lebensgemeinschaften — ob mit oder ohne Kinder. Darunter verstehen wir aber nicht eine Übertragung der Rechte oder Privilegien (der Ehe d. Red), die heute bestehen. Wir kämpfen ja auch seit jeher, und zwar unabhängig von der Frage der Lebensgemeinschaften, gegen das Steuersplitting. Wir wollen die Abschaffung des Ehegattensplitting, denn das prämiert die Einverdiener-Ehe vor allem mit hohem Einkommen und nimmt Frauen die Möglichkeit, eine eigene berufliche Tätigkeit auszuüben. Das Festhalten an der Einverdiener-Ehe, wo der Mann der klassische Ernährer ist und die Frau diejenige ist, die den Unterhalt empfängt, dieses Bild ist von der Realität weitgehend überholt, aber immer noch in unserem Rechtsgefüge drin.
Was heißt das konkret, wenn Sie sagen, Sie wollen keine Übertragung von Privilegien?
Es geht nicht darum, den jetzigen Rechtszustand kritiklos auf alle Paare zu übertragen, sondern wir wollen mehr Möglichkeiten für Kinder. Dazu gehört auch, daß bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften die Väter andere Rechte über ihre Kinder bekommen. Sie haben heute im Grunde genommen nur eine Zahlungspflicht, aber kein Sorgerecht für ihre Kinder.
Nehmen wir einmal das Rentenrecht. Wie könnte dieser Bereich für nichteheliche Lebensgemeinschaften gerechter geregelt werden?
Wir wollen eine eigenständige soziale Sicherung für alle, und zwar unabhängig vom Familienstand. Im Klartext bedeutet das natürlich eigenständige Sicherung für die Frau, weil sie in der Regel diejenige ist, die ein abgeleitetes Recht hat. Das ist unsere Vorstellung für die Zukunft. Vom Ist-Zustand ausgehend, würden wir sagen, muß dann auch der Lebenspartner — auch wenn kein Trauschein vorhanden ist — zumindest beteiligt werden, entsprechend der Dauer, die man zusammengelebt hat. Wenn eine Unterhaltspflicht besteht bei nichtehelichen Gemeinschaften, muß auch eine Versorgungsmöglichkeit bestehen. Das wäre aber eine kurzfristige Anpassung an das jetzt geltende Recht. Perspektivisch muß abgeleitetes Rentenrecht abgeschafft werden.
Welche Chancen hätte die Forderung, das Ehegattensplitting abzuschaffen, im Bundestag? Gibt es da parteiübergreifend eine Verständigung?
Nein, im Moment nicht. Das ist ja selbst mit der eigenen Bundestagsfraktion nur bedingt zu machen. Die SPD-Fraktion vertritt die Meinung, daß das Splitting gekappt werden soll, das heißt nach oben hin begrenzt werden soll. Damit bliebe der sogenannte Splittingvorteil, also das, was an Steuerersparnis möglich ist, begrenzt. Das ist ein Kompromiß, der in der SPD-Bundestagsfraktion nicht anders durchsetzbar war. Interview: Dorothee Winden
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