: UP-X, der Heiratsschwindler
■ Phil Upchurch, einer der gefragtesten Bluesgitarristen der Welt, über Tahiti und seine tausend Platten / Heute abend im KITO
Phil Upchurch, geboren 1941 in Chicago, war seither viel zu beschäftigt, um je berühmt zu werden. Heute abend spielt er mit Band im KITO; die taz hatte vorher eine Menge Fragen.
Wie viele Platten haben Sie schon aufgenommen?
Phil Upchurch: Ich weiß nicht genau. Hunderte.
Schluck. Ist das wahr?
Besser gesagt, an die tausend.
Jeden Tag eine neue Platte?
Nicht grad jeden. Aber an manchen Tagen auch zwei.
Das geht?
Klar. Man geht morgens ins Studio, nimmt drei Sessions auf und hat am Abend zwei Platten.
Mit welchen Musikern?
Mit allen. Sagen Sie mir mal einen, mit dem ich noch nicht gespielt habe.
Hm. Cat Stevens?
Stevens? (lacht schallend) Vor zehn Jahren rief mich einer aus England an und sagte, er hätte mein Stück „Darkness, darkness“ im Radio gehört, und ob ich nicht mit ihm nach Jamaica fliegen und ein Album aufnehmen wollte. Ich sagte: Mein Herr, ich kenne Sie nicht, wie heißen Sie? Sagte der: Cat Stevens. Stevens? Nie gehört. Ich vertröstete ihn also auf später und kaufte mir schnell eine Platte und erschrak und sagte ihm, als er wieder dran war, ich sei schon ausgebucht. Da hat er mir immer mehr Geld gebo
Phil Upchurch beim Interview: „Sagen Sie mir einen, mit dem ich noch nicht gespielt habe!“Fotos: Tristan Vankann
ten, bis ich nicht mehr Nein sagen konnte. Nachher auf Jamaica war's ganz wunderbar. Eine echte Herausforderung für mich.
Geht das: Blues und Stevens?
Er mußte sich eben ein bißchen anpassen.
Wären Sie imstande, den Blues zu verlassen?
Nie, nie. Nie nie nie.
Stattdessen sammeln Sie Mitspieler wie andere Leute Zinnbecher?
Ganz gewiß. Jedenfalls sammle ich die Platten, die dabei rauskommen. Lauter Souvenirs meiner Karriere. Ich hätt mir ja nie träumen lassen, mit wem alles ich zusammengespielt habe. Quincy Jones, Natalie Cole, Joe Williams, Chaka Kahn, mit den Crusaders, mit Earl Klugh, George Benson, Jimmy Reed, Bo Diddley, Stan Getz...
Mit wem am liebsten?
Mit Quincy Jones. Der hat eine
hierhin bitte das
große Foto von dem
Schwarzen
mit Gitarre
sagenhafte Art, einem das beste zu entlocken. Wie sonst nur Miles Davis. Ein Höhepunkt meiner Karriere. Mit George Benson war's aber auch gut — wegen all dem Geld. Aber irgendwann war's mir doch zu blöd, im Hintergrund zu stehen. Überhaupt schadet es mir gewaltig, daß ich so viel mache: Ich bin praktisch ein Opfer meiner Plattenkarriere; ich komme vor lauter Aufnehmen kaum dazu, herumzutouren und auch mal berühmt zu werden.
Da haben Sie's noch besser als die meisten andern Bluesmusiker. Die kamen vor lauter Spielen gar nicht zum Geldverdienen. Geht's denen noch immer so elend?
Wieso den Bluesmusikern? Sagen Sie stattdessen: den Schwarzen in Amerika, und schon stimmt die Sache. Ich hab mich immerhin nicht bescheißen lassen. Und wenn ich dann schon mal eingela
den werde, sagen wir, nach Europa auf ein großes Jazzfestival, dann mag ich nicht kommen, weil's dafür so jämmerlich wenig Geld gibt. Da mach ich zuhause an einem Tag mehr als dort in einer Woche.
Was verdienen Sie maximal an einem Tag im Studio?
Spitzenmusiker können zweitausend Dollar kriegen.
Sie spielen nicht nur alles, Sie komponieren auch noch, Sie arrangieren, sogar Ihr neuestes Cover haben Sie selbst gemacht. Haben Sie sonst noch Berufe?
(lacht schallend) Ha, vielleicht Heiratsschwindler. Ich bin viermal geschieden.
Wo haben Sie all die Talente her?
Wenn ich das wüßte! Ich liebe das alles, die verschiedenen Arten von Musik. Grad studiere ich mit Eifer Andres Segovia.
Wie haben Sie angefangen?
Klein. Mit zehn und einer Ukulele von meinem Vater. Später kriegte ich die erste Gitarre, eine Gibson ES-175. Ich werd sie nie vergessen. Tja, dann die ersten Auftritte rund ums Haus, dann in ganz Chicago, bei Talentshows, und dann kamen die ersten Profis und wollten was von mir. Und seitdem spiele ich alles, was es gibt. Aber von meinen 18 Solo-Alben hat das neueste am meisten Erfolg: da ist einfach nur Blues drauf.
Was halten Sie vom sogenannten „Weißen Blues“?
Den hat's nie gegeben. Ich gebe allerdings zu, daß es Weiße gibt, die Schwarzen Blues spielen. Den allerdings wird es immer geben.
Haben Sie eine Erklärung dafür?
Der Blues ist Gottes Musik. Nicht nur, weil er vom Gospel herkommt. Blues, das sind die Dinge des Lebens: Immer die drei gleichen Akkorde, und dann muß man sich eine Menge einfallen lassen, damit sie interessant bleiben. Die größte Freiheit, die es gibt. Und ich verdien auch noch Geld damit und komme rum, wie sich's andre nur erträumen, und werde beispielsweise vom Fleck weg nach Tahiti engagiert und hab dort alles frei und kann im Meer herumtauchen, und zwölf Fuß lange Haie fressen mir aus der Hand. Ist das nichts?
Jetzt fehlt Ihnen nur noch die Gitarre Ihres Lebens. Richtig?
Genau, bloß werd ich sie nie finden. Diese hier kommt ihr ziemlich nah, die Phil Upchurch UP-1, handgemacht nach meinen Vorgaben. Ein wundervolles Instrument. Aber die Phil Upchurch UP-2 ist schon in Planung. Interview: Manfred Dworschak
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen