Hofkonzerte unter neuer Firma

■ Im Auftrag des Gesamtberliner Senats: Das ehemalige Haus der Jungen Talente heißt jetzt »Podewil«

Das Haus der jungen Talente hat seinen Namen geändert, zurückgekehrt nach einjähriger Zwangspause sind die sogenannten »Hofkonzerte«, die das bescheiden- noble Barockpalais in der Nähe des Alexanderplatzes auch unter SED- Regie überaus beliebt gemacht haben. »Freitags Klassik Samstags Jazz«, steht ab sofort wieder jedes Sommerwochenende auf dem Programm. Der altgediente Hartmetall- Jazzer James Blood Ulmer startet am 4.7. die neue Reihe, die sonst gediegenes Mittelmaß aus Berlin und Osteuropa anzubieten hat. Das architektonische Ambiente des Hofes dürfte das fehlende musikalische Profil hinlänglich kompensieren.

Junge Talente werden dort allemal nicht mehr gastieren, unter der Regie des Gesamtberliner Senats hat das Haus andere, jedoch nicht weniger offiziöse Aufgaben übernommen. In der ehemaligen Stadtresidenz des Freiherrn von Podewils residiert seit etwa neun Monaten die »Berliner Kulturveranstaltungs- und Verwaltungs-GmbH«. Der Geschäftsführer Hartmut Faustmann mag diesen Namen nicht — »wir können nichts dafür« —, aber er trifft die Sache einigermaßen. Ausgestattet mit einem Jahresetat von drei Millionen Mark, soll Faustmann und sein Team den internationalen Kulturaustausch organisieren, »den uns der Senator als Rahmen vorgibt«, so Faustmann gestern auf einer Pressekonferenz.

Kein leichter Job. Faustmanns Team wurde in die Präsentation der Länder Berlin und Brandenburg auf der Weltausstellung von Sevilla eingebunden zu einem Zeitpunkt, als über Inhalt und Konzept dieser Werbeshow nicht mehr zu entscheiden war. Als nächste Position auf dem Pflichtenzettel steht Prag, in Planung ist ein »Musikprojekt in Moskau und Berlin«, 1993 wird Antwerpen Kulturstadt Europas — Berlin muß dabei sein, Faustmann muß organisieren. Der weitere Austauschtitel »Norwegen in Berlin« läßt auch ihn, den überraschend schnell aufgestiegenen Jungchef, nicht eben glücklich in die Zukunft blicken.

Glücklicher fügte es sich da schon, daß die nur formal selbständige GmbH zugleich ihre Amtsresidenz selbst bespielen soll: Das Haus Podewil, soll — ohne das End-»s« des Namensgebers — ein »eigenes, unverwechselbares Profil« gewinnen. Das Konzept will den Schwerpunkt auf »Bühnenkünste« legen und Projekte interdisziplinärer Art favorisieren. Von Performance bis »zeitgenössischer Partiturmusik« soll kaum etwas ausgeschlossen werden.

Realistischerweise setzt Faustmann vor allem auf den Reiz des Hauses, das vor allem durch seine zahlreichen kleineren Räume Arbeitsmöglichkeiten für Künstler biete. Auch das war zu Zeiten der DDR nicht anders. Sie sollen nun »im Sinne eines Laboratoriums« internationalen Gästen für längerfristige Aktivitäten angeboten werden. Den Anfang macht die Sängerin und Performerin Shelley Brown, die ein Musical proben, Workshops abhalten, selbst auftreten und unter dem Titel »Shelleys Salon« eine Reihe von Montagskonzerten im Hof gestalten will.

Unübersehbar dominieren musikalische Veranstaltungen das gestern vorgestellte Programm. »Musik ist eben leichter zu organisieren«, entschuldigt Faustmann die Schieflage. Eine für den Bereich des Theaters verantwortliche Mitarbeiterin schied kurzfristig aus dem Team aus. Ganz fehlt das Theater nun aber doch nicht: Ivan Stanev darf zwei seiner eigenen Stücke selbst inszenieren — ein »Autorentheater«, wie er das selbst nennt. Nur mochte bisher niemand länger mit ihm zusammenarbeiten, auch das Hebbel-Theater nicht, das einst zwei seiner Eigeninszenierungen produziert und finanziert hatte. Die monomanisch bramarbasierenden Texte zogen danach eine Spur wüster Verrisse durch die ganze Republik. Heiner Müller hatte dem Mann ein Empfehlungsschreiben auf den Weg geschickt, es konnte Stanevs nahezu vollständigen Mangel an handwerklichem Können nirgendwo auf Dauer verhüllen. Das Podewil dürfte eine der letzten Chancen des bulgarischen Wahlberliners sein. Der Vertrag mit Stanev sei bis September befristet, danach »wolle man weitersehen«. Niklaus Hablützel