»Quotenverluste im Dritten«

■ Vorabend-Harmonisierung der ARD: Ein Interview mit dem Fernsehdirektor von Radio Bremen

Die Geschäftsleitung des SFB will die »Abendschau« ins Dritte Programm verbannen und sich der ARD-Vorabend-Harmonisierung anschließen. Die Harmonisierung sieht vor, daß im Ersten nur 15 Minuten regionale Information und dafür mehr seichte Serien laufen. Während der Redakteursausschuß des Senders und die MitarbeiterInnen des regionalen Programms dagegen Sturm laufen, begründet die Chefetage die Verlegung damit, daß »die Gefahr von Werbeverlusten sehr groß« sei. Schließlich werde der ORB in Zukunft sein harmonisiertes Erstes in den werbeträchtigen Großraum Berlin einstrahlen. Außerdem werde die »Abendschau« als attraktives »Flaggschiff« für ein künftiges eigenes Drittes Programm des SFB gebraucht. Die Mitarbeiter des SFB- Regionalprogramms hingegen befürchten, daß gerade eine Verlegung der »Abendschau« ins Dritte Werbeverluste bringe, weil dann Zuschauer vom Ersten abgezogen würden. Zudem werde die Einschaltquote der erfolgreichen »Abendschau« von weit über 20 Prozent dann mindestens um die Hälfte zurückgehen. Die taz sprach mit dem Fernsehdirektor Rüdiger Hoffmann von Radio Bremen über die Vorabend-Harmonisierung.

taz: Die ARD hatte Radio Bremen und dem SFB gestattet, sich der Harmonisierung vorerst nicht anzuschließen. Doch der SFB will seine »Abendschau« doch ins Dritte verlegen. Wann folgt Radio Bremen mit seinem Vorabendprogramm »Buten und Binnen«?

Rüdiger Hoffmann: Wir können gar nicht folgen, weil wir kein eigenes Drittes Programm haben. Der NDR allerdings, der in unser Sendegebiet einstrahlt, wird die Harmonisierung ab Januar mittragen. Und da sich die Sendegebiete überlappen, können die Zuschauer — so sie wollen — das harmonisierte Vorabendprogramm der ARD auch in Bremen sehen.

Es sind also nur frequenztechnische Gründe, die Sie von der Harmonisierung abhalten?

Nein. »Buten und Binnen« ist mit bis zu 50 Prozent Marktanteilen eine äußerst erfolgreiche regionale Sendung. Sie ist von ihrem publizistischen Rang her für die Region von kaum zu ersetzendem Wert. Selbst wenn wir ein Drittes Programm hätten, würden wir »Buten und Binnen« nicht dahin versetzen, denn das hat erfahrungsgemäß Verluste bei den Zuschauerzahlen zur Folge. Wir haben übrigens die gleichen Werbeblöcke, die die ARD auch hat. Allerdings werden wir unserem Programm eine neue Struktur, eine etwas andere Aufteilung geben. Momentan ist das Programm so strukturiert wie beim SFB auch. Ab 1993 wird es so sein, daß wir die vier vorgesehenen Serienteile im Programm haben und zusätzlich »Buten und Binnen« machen werden. Die Zeit hierfür wollen wir durch den Verzicht auf die »Tagesschau« um 18.30 Uhr gewinnen. Das bringt uns zehn Minuten. 15 Minuten regionale Information sind ja auch im harmonisierten Programm vorgesehen. Macht also zusammen 25 Minuten.

Es gibt keine Drohung, wegen dieser Abweichung von nationalen Werbegeldern ausgeschlossen zu werden?

Nein. Das entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.

Wenn man die Harmonisierung konsequent weiterdenkt, auch über das Vorabendprogramm hinaus, dann deutet sich ein unterhaltungslastiges Massenprogramm an, ergänzt durch die Grundversorgung in den Dritten Programmen. Ist das absehbar?

Wir bewegen uns bei dem zunehmenden Konkurrenzdruck der Privaten auf ein Komplementärsystem zu. Ohne uns zu verbiegen müssen wir die Mehrheitsfähigkeit der ARD im Ersten unter Beweis stellen. Das Spezielle, das Programmangebot für definierte Gruppen, für kleinere und größere Minderheiten, das wird in den Dritten laufen. Interview: kotte