Internationale Vermittlung in Südafrika

De Klerk akzeptiert erstmals internationale Vermittlung/ ANC verläßt nach Massaker die Verhandlungen/ 14-Punkte-Forderungskatalog/ Wiederaufnahme des Sportboykotts vor Olympia?  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Südafrikas Präsident Frederick De Klerk hat gestern erstmals internationale Vermittlung in Südafrika akzeptiert, um die tiefe Krise im Verhandlungsprozeß zwischen weißer Regierung und schwarzer Opposition zu überwinden. Das berichteten Vertreter der spanischen Regierung nach einem Gespräch zwischen De Klerk und Premierminister Felipe Gonzalez in Madrid. De Klerk betonte jedoch, daß er keine Einmischung in die internen Angelegenheiten des Landes zulassen würde.

Der Präsident gab damit den Widerstand seiner Regierung gegen die vom African National Congreß (ANC) geforderte internationale Vermittlung in Südafrika auf. Der ANC hatte sich am Dienstag aus allen Verhandlungen mit der Regierung zurückgezogen. Ein Massaker an 39 Menschen in einem Slumgebiet südlich von Johannesburg letzte Woche hatte den Rückzug provoziert.

De Klerk nannte die ANC-Entscheidung gestern abwertend „Ultimatum-Politik“. Außenminister Pik Botha betonte, daß die Südafrikaner ihre eigenen Probleme lösen müßten — offenbar eine Ablehnung der ANC-Aufrufe nach internationaler Beteiligung an den Verhandlungen in Südafrika. Eine Reaktion der Regierung auf den Zusammenbruch der Verhandlungen war bis Redaktionsschluß nicht bekannt.

Der ANC hatte am Dienstag 14 Forderungen gestellt, deren Ziel es ist, politische Gewalt zu kontrollieren und den übergang zu einer demokratischen Ordnung zu beschleunigen. Eine Wiederaufnahme von Gesprächen sei nur möglich, wenn die Regierung „entscheidende Fortschritte“ machen würde, um diese Bedingungen zu erfüllen. Unter anderem fordert der ANC die sofortige Einsetzung einer Interimsregierung, an der alle Parteien beteiligt sind, und demokratische Wahlen für eine verfassunggebende Versammlung.

Regierungsmitglieder betonten am gleichen Tag, die Mehrparteiengespräche im „Konvent für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) müßten fortgesetzt werden. „Wir können eine Lösung für unsere Meinungsunterschiede nur finden, wenn wir verhandeln“, sagte Botha. Auch im Ausland drängte man auf eine Fortsetzung von Gesprächen. „Beide Seiten müssen sich von den derzeitigen Schwierigkeiten distanzieren und feststellen, wie Gespräche am besten fortzusetzen und zu einem Erfolg zu bringen sind,“ sagte der britische Premier John Major.

Zwar betonte der ANC, daß Verhandlungen für die Lösung des Konflikts in Südafrika notwendig seien. Aber er warf der Regierung vor, in den vergangenen zwei Jahren nicht ernsthaft verhandelt zu haben. „Das Regime ist festentschlossen, Fortschritte zur Demkratie zu blockieren“, sagte ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa am Dienstag. „Seine Strategie beinhaltet Verhandlungen zusammen mit geheimen Aktionen, darunter auch Mord.“ Ziel der Regierung sei es, die „vom ANC geführte demokratische Bewegung zu zerstören“.

Ein Sprecher des ANC kündigte gestern an, daß die Organisation eine Wiederaufnahme des Sportboykotts gegen das Land anstrebt. Davon betroffen ist vor allem die Beteiligung Südafrikas an den Olympischen Spielen, aber auch ein Besuch der Fußballnationalmannschaft von Kamerun und der Rugbynationalmannschaft von Neuseeland. Der ANC will außerdem ein Gipfeltreffen von Oppositionsgruppen einberufen, das ein alternatives Gesprächsforum zu Codesa werden könnte.

Der Commonwealth, die Gemeinschaft ehemaliger britischer Kolonien, beriet gestern über eine mögliche Intervention in Südafrika. Und die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) unterstütze ANC-Forderungen nach einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates.

In seinen Forderungen an die Regierung strebt der ANC vor allem eine unabhängige Kontrolle der Sicherheitskräfte an. Außerdem sollen alle Sondereinsatzgruppen entwaffnet und unter Kasernenarrest gestellt werden. Polizisten und Soldaten, die sich an Gewalt beteiligen, sollen verurteilt werden. Der ANC verlangt die Kontrolle und Auflösung der Wohnheime für Wanderarbeiter. Diese gelten als Militärbarracken der Zulupartei Inkatha. Zulu-Wanderarbeiter aus einem nahegelegenen Heim sollen auch das Massaker letzte Woche verübt haben.

Die Straßenproteste, die der ANC letzten Dienstag, am Tag vor dem Massaker, begann, sollen in den nächsten Tagen intensiviert werden. Am Samstag soll mit Versammlungen der Verabschiedung der sogenannten „Freiheitscharta“ 1955 gedacht werden. Das war bis vor kurzem das Grunsatzdokument der ANC-Politik. Die Beerdigung der Opfer des Massakers ist für Montag geplant. Der Tag soll dem ANC zufolge im ganzen Land als Trauertag begangen werden.