Und immer fehlt die eine Socke

■ Ein Abend im Waschsalon: Vom Unterhosen-Bügeln und den rechten Poletten

Nun gibt es genügend Menschen, deren schmutzige Wäsche nicht von strahlenden Müttern übernommen wird, aber was ist mit denen, die noch nicht einmal eine Waschmaschine haben?

Samstag abend, im Neustädter Waschsalon an der Friedrich- Ebert-Straße. „Täglich von 6-23 Uhr geöffnet“ verkündet das Schild am Eingang. Der kahle, mit Neonlicht beleuchtete Raum ist vollgequetscht mit Waschmaschinen, Schleudern, Trocknern. Dazwischen bahnt sich eine Frau mit einem vollgepackten, fahrbaren Wäschekörbchen den Weg von einem Arbeitsgang zum nächsten. „Eine gute Erfindung, was?“ sagt sie zu mir. Ich nicke, ja wirklich, ungemein gut. Der Geruch in dem Salon — laut Duden ein elegant ausgestatteter Geschäftsraum — erinnert an die unnützen Desinfektionsversuche in einem Bahnhofsklo, der Boden sieht siffig aus, die Maschinen möchte man mit spitzen Fingern anfassen. Das soll ein Ort der Sauberkeit sein?

Wer kein Kleingeld für den „Polettenautomaten“ hat, steht dumm da. Als wenn die Anweisungen so besser zu verstehen wären: Den Hals nach vorne gereckt, starrt ein blonder Mittdreißiger auf die Bedienungsanleitung — Waschpoletten 6 Mark, eine Silberpolette 1 Mark, zwei Silberpoletten 2 Mark, Waschmittel hier. Seine Alkoholfahne ist noch in einem Meter Entfernung zu riechen, neben ihm ein Berg schmutzige Wäsche und eine Bierflasche.

Ich warte auf das Ende der Begegnung Mensch-Maschine, neben mir ebenfalls ein Berg schmutziger Wäsche. „Scheißapparat“, er tritt dagegen, schwankt und wirft a) seinen Wäscheberg und b) die halbvolle Bierflasche um, deren Inhalt sich gluckernd über T-Shirts, Socken und Unterwäsche ergießt. Fluchend sammelt er seine patschnassen Unterhosen wieder ein. Ich bringe meine Wäsche in Sicherheit, ergattere endlich die notwendigen Poletten und steuere auf eine Maschine zu.

Schäumt die Wäsche erstmal vor sich hin, setzt die große Langeweile ein. Der Typ mit der Alkoholfahne hat es mittlerweile auch geschafft, seine Wäsche in einer Maschine zu verstauen und guckt mit hilflosem Blick erst auf die Bedienungsanleitung und dann auf mich. Wir einigen uns auf „60-Grad-Buntwäsche“. In der Ecke mit den Trocknern hat sich eine türkische Familie niedergelassen; so ganz nebenbei bedienen sie mehrere Maschinen gleichzeitig und unterbrechen dabei keinen Moment ihre angeregte Unterhaltung — bewundernswert.

Da kommt ein Mann hereingestürmt, stopft seine Wäsche in eine der Maschinen, zieht mit entschlossener Geste sein T-Shirt aus und wirft es noch hinterher. Mit nacktem Oberkörper setzt er sich neben eine Studentin auf die Wartebank — sie streicht sich in „Das Patriarchat“ wichtige Stellen an, er zieht aus einer Plastiktüte den „Playboy“ hervor.

Fein säuberlich legt eine Frau auf dem Packtisch jedes Wäscheteil einzeln zusammen. „Das ist immer das Schlimmste“, stöhnt sie. Ich pflichte ihr bei; wir unterhalten uns über die Notwendigkeit des Bügelns von Unterhosen und die regelmäßigen Verluste einzelner Socken.

Nach eineinhalb Stunden ist meine nicht ganz so blütenweiße und schon gar nicht mehr farbechte Wäsche endlich fertig. Der Betrunkene stößt auf dem Gang mit der Studentin zusammen und schüttet das nächste Bier über seine frischgewaschene Wäsche. Ich ergreife die Flucht. skai