Kunst geköhlert, Pferde geklaut

■ Wirbel um die Kunstmeile am Wall: Diebe, Vandalen, keine Versicherung — und doch ein Erfolg?

Vor dem Bettenhaus Uwe Heintzen am Wall steht ein Betonsockel, der ist leer. Vor gut einer Woche ruhte auf ihm eine Bronzearbeit von Christoph Fischer aus Worpswede, eine „Pferdegruppe“. Der Schüler des Bremer Kunst-Professors Bernd Altenstein macht moderne Kunst von der konsumierbaren Art, und das müssen sich auch die Unbekannten gedacht haben, die die Arbeit (Wert ca. 14.000 Mark) geklaut haben.

Die Pferdegruppe war Teil einer für Bremen neuen Kunstpräsentation: Die Kunstmeile am Wall ist Ergebnis berührungsangstfreier Zusammenarbeit von Kunst und Kommerz, von Bremer KunststudentInnen und Kaufleuten. Dreh- und Angelpunkt: die Marketingagentur Köhler, die für die Wall-Werbe-Gesellschaft 20 Skulpturen besorgte. Die kamen aufs Trottoir. Peng.

Daß, wer Kunst in den „öffentlichen Raum“ stellt, etwas riskiert, mußte nicht nur Christoph Fischer erfahren: Seinem Kollegen Rainer Krause etwa wurde eine Keramikskulptur noch vor der offiziellen Eröffnung plattgefahren. An anderen Arbeiten betätigten sich Vandalen.

Zum Eklat kam es allerdings erst Mitte dieser Woche, als bekannt wurde, daß die Skulpturen nicht versichert sind. Trotz mehrfacher Zusage der Agentur, wie die Künstler bezeugen. Fischer, der die (verkaufte) Pferdegruppe vom Käufer ausgeliehen hatte, verhandelt nur noch über Rechtsanwalt.

Aus Protest haben jetzt vier KünstlerInnen ihre Arbeiten abgebaut, zwei werden noch folgen. „Die anfängliche Vortäuschung einer professionellen Organisation einer Kunstausstellung seitens der Agentur Köhler entpuppt sich als Flop,“ sagten sie am Mittwoch gegenüber der Presse. Ein geschlossenes Auftreten der beteiligten Künstler kam nicht zustande. Dorothea Muszynski, die ihre vogelartige Figur aus Keramik und Metall entfernt hat, zur taz: „Die nicht abbauen, sind alle geköhlert.“

„Geköhlert“ ist offenbar auch Rainer Krause, der in der Agentur Köhler eher eine experimentierfreudige Firma mit guten Ideen sieht als den Profithai, der arme Künstler linkt. Weil erstmalig, sei die Aktion mit Fehlern behaftet, aus denen man lernen könne. Große Klötze, die niemand wegschleppen kann, seien vorzuziehen. Auch Arbeiten, die Verletzungen vertragen oder sogar brauchen. Oder auch Installationen wie die von Ingo Vetter, „Dackel für den Wall“. Seine kleinen Klinker-Dackel, vor den Geschäften „installiert“, wurden allesamt geklaut; im Auftrag der Agentur lieferte er 260 neue Dackel nach, die teils entwendet, teils für 15 Mark in den an der „Kunstmeile“ beteiligten Geschäften verkauft werden. Eine flotte Werbeidee von Köhler: zur Zeit arbeitet Vetter an einer Nachlieferung von 800 Stück.

Auch bei anderen Künstlern hört man von erfreulichen Reaktionen: endlich mal öffentliche Diskussionen über ihre Kunst, verschiedentlich auch Aufträge. Ist es ein Wunder, daß sich Kunststudis bei der miserabelen Ausstellungssituation in Bremen „köhlern“ lassen?

Für Rainer Krause ist eh klar: „Kunst auf'm Trottoir ist die Ausstellungsform des nächsten Jahrzehnts.“ Bus