Das Wichtigste ist der Tanz

■ Die »Manuel Mandon Dance Company« und »Die Dinge des Lebens«

Wollen Sie beim Probedurchlauf mitmachen, oder was?« fragt ein junger Mann. Mir wird klar: Stuhl und Tisch, die mir für eventuelle Zuschauer bestimmt erschienen, gehören zum Bühnenbild. Endlich finde ich in der allgemeinen Hektik ein Plätzchen. Das Durcheinander an Menschen und Requisiten lichtet sich langsam, das Ensemble formiert sich. Die Probe beginnt.

Mein Tisch und Stuhl gehören zum Inventar einer Kneipe in »der Straße«, einer x-beliebigen Straße in einer x-beliebigen Stadt unserer Zeit. Auch die Menschen, die hier auftauchen, sind Typen: der kleine Gauner aus dem Viertel, die brave Büroangestellte aus gutem Hause, die sich in ihn verliebt und natürlich enttäuscht wird, ebenso die junge Frau, die ihren Freund zum 13ten Mal — jetzt aber wirklich endgültig — verläßt. Die rivalisierenden Straßengangs, die Penner...

Einzelne Szenen beleuchten jeweils einen Ausschnitt aus ihrem Leben. Es gibt keinen Anfang und kein Ende, da die Geschichte eine unendliche ist. Die Songs sind melodisch- jazzig, mal sentimental, mal temperamentvoll und ermöglichen den TänzerInnen, die ganze Bandbreite von Modern-Dance, Ausdruckstanz bis zum klassischen Step abzustecken.

Die Story selbst ist allerdings Opfer der Alltäglicheit, die sie zum Inhalt hat. Sie verfängt sich zu sehr in Stereotypen: Die Penner sind zwar arm, aber mit Herz, der kleine Gauner ist natürlich nur auf das Geld des braven Mädchens aus usw. Etwas mehr Phantasie wäre angebracht.

Mit dem Musical Die Straße präsentiert sich die Manuel Mandon Dance Company zum ersten Mal in einem Theaterstück. Bis 1991 war sie eine reine Tanz-Truppe mit kommerziellen Auftritten in TV-Shows, bei Messen, Modeschauen. Dadurch gewannen die TänzerInnen die nötige Sicherheit, um den Sprung ins Musical zu wagen. Manuel Mandon, Namensgeber und Kopf der Truppe, hatte die Dance Company 1984 ins Leben gerufen, um junge, talentierte TänzerInnen zu fördern. Mandon, gab Unterricht, und im Ballett-Zentrum am Kurfürstendamm bot sich die Möglichkeit eine Musical-Ausbildung zu absolvieren.

Die Straße ist das Ergebnis dieser Lehrzeit. Mandon selbst ist für Buch, Regie, Songs und Choreographie verantwortlich. Die deutsche Bearbeitung — Mandon ist Franzose — übernahm der Kabarettist Olaf Michael Ostertag. Das leidige Thema Finanzen war auch hier ein Problem: »Das Projekt ist ein reines Verlustgeschäft, aber wir wollen uns damit eben bekannt machen«, sagt Mandon, der zwei Drittel der Gesamtkosten von seinen Ersparnissen bezahlt hat. Für den Rest fand sich kurzfristig noch ein Sponsor. Die TänzerInnen arbeiten ohne Gage, dafür aber mit um so mehr Engagement. »Am Anfang hätte ich nie gedacht, daß in ihnen so viel Willenskraft und Ausdauer stecken würde«, schwärmt der Chef, für den das Theater »seine große Liebe« ist. Dennoch: Das Wichtigste bleibt für ihn der Tanz. Daß er sich dann gerade dem Musical, in dem Tanz eigentlich nicht im Vordergrund steht, zuwendet, empfindet Mandon nicht als Widerspruch: »Da bleibt wenigstens noch etwas zu verändern.« Damit aber ganz klar wird, wo der Ursprung seiner Tanz-Truppe liegt, hat er seinem Musical einen ersten Teil vorangestellt. In fünf Choreographien werden Situationen dargestellt, »die das Leben eines Menschen ausmachen«. Das gesamte Projekt trägt den Namen Die Dinge des Lebens und soll fortgesetzt werden: »Es ist unser erster Versuch, dennoch verspreche ich, es wird nicht der letzte sein.« Elke Lachert

Heute und morgen um 20 Uhr im Fontane-Haus, Wilhelmsruher Damm 142c, 1/26