Kein Rohrstock für Schulschwänzer

■ Sondern ein Bus für junge, schulmüde Herumtreiber

Schuleschwänzen ist so alt wie die Schule selbst. Was die Veteranen der Schwarzen Pädagogik mit Stockschlägen auf ausgestreckte Finger und Hosenböden in Schach zu halten wußten, wächst sich heute zu einem immer größeren Problem aus: ob Montag, Mittwoch oder Donnerstag, zu Zeiten da anständige Kinder mit der Fibel in der Hand die Schulbank drücken, lümmeln sich die Schwänzer von heute auf Spielplätzen und Hinterhöfen von Berlin.

An die Stelle von Prügelstrafe und Strafandrohung soll jetzt in Tiergarten ein sogenannter »Schulschwänzer-Bus« rücken. Unter der Schirmherrschaft von Jugendstadträtin Ada Withake-Scholz sucht man derzeit noch versierte Pädagogen, die betroffene Schüler, Eltern und auch Lehrer beraten können. Wochentags von 8.30 bis 12.30 Uhr sollen die Wagen an wechselnden Orten den säumigen Schülern offenstehen. Das Projekt, das bislang nur eine mündliche Zusage hat, soll aus Geldern des Experimentierfonds der Senatsverwaltung für Jugend und Familie finanziert werden.

»Das ist ein Sprung ins kalte Wasser«, versichert Thomas Bachran, Sozialarbeiter in der Jugendförderung. Als Zuständiger für Konzeption und Verwaltung des Projekts begibt er sich mit der Idee auf ein Terrain, für das keine Erfahrungswerte existieren. Die zwei gesuchten Pädagogen werden Beratungsgespräche ohne erhobenen Zeigefinger anbieten. Schularbeitshilfe oder familienfürsorgerische Tätigkeiten sind dagegen nicht vorgesehen. Um Schwellenängste zu mindern, werden die Busse von Jugendlichen mit Graffiti bemalt und mit der Aufschrift »Schulschwänzer-Bus« versehen. »Die provokative Beschriftung soll Diskussionen zum Thema entfachen«, sagt Bachran. Da die Nutznießer selbständig den Weg in die bunten Wagen finden müßten, sei man auch auf Mundpropaganda von Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, angewiesen.

In Lehrerzimmern und auf Elternabenden ist die Schwänzerei schon lange ein Thema, dem sämtliche Beteiligten hilflos gegenüberstanden. Gründe für die Schulmüdigkeit, die insbesondere auch bei ausländischen Jugendlichen grassiert, können unter anderem familiäre Defizite und Konflikte, Suchtprobleme oder schulischer Frust sein. Ob der Bus die Verweigerer wieder auf die Schulbänke zu locken vermag, ist angesichts der jahrtausendjährigen Tradition des Schwänzens allerdings fraglich. Jantje Hannover