WELTRELIGIONEN BEGÜNSTIGEN AIDS-VERBREITUNG

Aids-Tabu ungebrochen

Washington (dpa) — Religiöser Fundamentalismus und überkommene Sitten behindern in vielen Ländern den Kampf gegen die Immunschwäche-Erkrankung Aids. Das berichteten Fachleute und Vertreter von Aids-Gruppen auf einer Kongreßanhörung am Mittwoch in Washington.

In Lateinamerika herrscht nach den Worten von Juan Hernandes, dem Direktor der mexikanischen Gruppe „Colectivo Sol“, die Einschätzung: „Männern kann Aids nichts anhaben, sondern nur Schwulen und Prostituierten.“ Die Regenbogenpresse verstärke den Eindruck, daß Aids eine Schwulen- Krankheit sei, und Erkrankte würden wie Aussätzige behandelt. In Chile, berichtete er, hätten sich Ärzte kürzlich geweigert, vier homosexuelle Opfer eines Verkehrsunfalls zu behandeln.

Die katholische Kirche würde „sehr autoritär“ nichts außer Abstinenz und Sex in der Ehe zulassen und Kondom-Vergabe und „Safer Sex“- Erziehung überall in Süd- und Mittelamerika verhindern. In Mexiko habe die Regierung auf Druck der Kirche fortschrittliche Familienplanungs-Zentren schließen müssen. In afrikanischen Ländern südlich der Sahara erkläre der Islam Sex zu einem Tabuthema, berichtete Adamu Imam von der nigerianischen „Stop- Aids“-Organisation. Jeder Versuch, Kondome zu verteilen, werde als Förderung unmoralischer Handlungen betrachtet. In den östlichen Ländern des Mittelmeerraumes sprächen sich islamische und christliche Geistliche dagegen für Aids-Erziehung aus, sagte Dr. M. H. Wahdan von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Buddhismus und Hinduismus sind nach Schilderung von Fachleuten in der Haltung zur Sexualität und Aids- Erkrankung toleranter. In Thailand lehrten buddhistische Mönche Aids- Vorsorge und nähmen Aids-Waisen in die Tempel auf, sagte Regierungsberater Dr. Werasit Sittitrai. Der indische Journalist Ashok Row Kavi berichtete, daß im hinduistischen Glauben Sex eine der drei Säulen des Lebens sei. „Es gibt sogar einen schwulen Gott“, sagte er. Zusammen mit anderen Mitgliedern einer Homosexuellen-Organisation verteile er Aids-Informationen auf religiösen Festen.