Mild wie HB

■ „Prinzessin Dianas Tränen“, ARD, Dienstag, 21.30 Uhr

Man kann nur darüber spekulieren, wie es zu dieser Programmänderung am Dienstag abend kam. Da stürzen politische Systeme in sich zusammen wie Kartenhäuser, allerorten herrschen Aufruhr und Umbruch. Und irgendwo in England bricht eine Prinzessin in Tränen aus. Da muß man sich entscheiden, da müssen Prioritäten gesetzt werden. Statt also, wie angekündigt, der Frage nachzugehen, wie der KGB noch immer klammheimlich die Demokratisierung sabotiert, wurde der bedrohliche, offensichtlich völlig marode Zustand der „modernen europäischen Monarchie“ auf die Tagesordnung gesetzt. Der Osten hat die Krise schließlich nicht gepachtet.

Nun ist Lady Di natürlich nicht halb so interessant wie die Monaco- Schwestern, entschieden interessanter allerdings als König Baudouin. Und wenn eine Prinzessin heult, ist es ziemlich kleinlich, das allein ihres Standes wegen zu ignorieren. Die Hoffnung schien berechtigt, nun endlich alles zu erfahren — ganz ohne Zahnarztbesuch oder teuren Haarschnitt.

Die Tränen, die die Prinzessin zur allgemeinen Erschütterung in aller Öffentlichkeit vergossen hat, wurden ausgelöst durch eine Buchveröffentlichung. Andrew Morton, Journalist der 'Sunday Times‘, hat „Ihre wahre Geschichte“ aufgeschrieben. Die Folge: ein bis dahin beispielloser Medienrummel um die Royal Family. Dabei war Morton doch bloß zur „Errettung“ Dianas angetreten, angeblich angestiftet und unterstützt von Freunden und Verwandten der Prinzessin. Er sagt alles: Di ist völlig vereinsamt und hat mehrfach versucht, sich umzubringen; denn Charles ist ein Schwein, er hat eine Geliebte, und seine Kinder kann er auch nicht richtig leiden. Aufgemacht ist das ganze wie ein HB-Reiseführer ins Land der Diademe, mit (erstmalig!) Jugendfotos aus Dianas Familienalbum und erstaunlichen Informationen: „Diana Spencer saß still auf den untersten Stufen ihres Elternhauses in Norfolk und hielt das schmiedeeiserne Treppengeländer umklammert, während rings um sie her geschäftiges Treiben herrschte.“ So viel Offenheit kann einem schon die Tränen in die Augen treiben.

Die Autoren des Films waren leider gänzlich unentschieden, was sie zu diesem Phänomen einer nationalen Erregung sagen sollten. Lustlose Empörung über den Medienterror, verschämter Klatsch und mildes Amüsement — da geriet auch die journalistische Selbstironie daneben. Das Spektakel wurde bedient, brandaktuell. Wissenschaftlich gestützt, haben wir immerhin eins gelernt: Die moderne Ehe ist der Tod der Monarchie. Reinste Sabotage! Barbara Häusler