HAPPY HOUR

■ Rührendes Product Placement: Das London Chamber Orchestra auf Promotion-Tour

Aufmunternd lächelt er ins Publikum, das nach jedem Satz von Mozarts Divertimento applaudiert. Der smarte Chef des London Chamber Orchestra (LCO), Christopher Warren- Greeen, hat gut lachen. Letzte Woche platzte Virgin Classics mit zehn LCO-CDs auf den Markt. Der ist zwar reichlich satt an Einspielungen von Mozart, Vivaldi, Albinoni und Tschaikowsky, aber die gewieften Marktstrategen des Konzerns kann das nicht schrecken. Mit illustren Covern und aalglatten Interpretationen umgarnt man ein Massenpublikum, erreicht stromlinienförmig die Geldbeutel der anvisierten Zielgruppe.

Ehrlicherweise läßt sich das LCO von Rockveranstaltern managen und tritt auch auf den entsprechenden Freiluftveranstaltungen auf, mit großer Lightshow und vielen Megawatt und allem, was dazugehört.

Die Gleitmittel für ihre derzeitige Promotion- Tour über Hamburg, München und Wien lieferte nun eine schottische Schnapsbrennerei — ihr Whisky hatte schon Leonard Bernstein nachhaltig beeinflußt. Sie besorgte auch gleich das Bühnenbild: fünf riesige Fahnen mit dem Firmennamen, darunter verschämt die drei Buchstaben des LCO. Selbst die Pressephotos entbehren nicht dieses rührenden Promo-Gestus, inmitten der lächelnden Musiker prangt der Produktname. Nach dem Konzert ist man allerdings etwas unsicher, wer hier für wen Reklame machen soll. Einen Schnaps könnte man jedenfalls vertragen. Denn so unbeholfen und flach erlebt man klassische Musik selten. „Wir wollen raus aus den dämmrigen Konzertsälen. Bei uns sollen sich die Zuhörer frei fühlen“, verkündet Warren-Green.

Mit der Steifheit und stupiden Regelmäßigkeit von Aufziehpuppen exekutierten sie beim Konzert in München Mozart und Bach, einzig die intonatorischen Irritationen waren menschlich, wenngleich allzu menschlich. Ob das angestrebte Massenpublikum (in München waren es rund 100 Zuschauer) da mitgeht, bleibt zu befürchten. Es müssen jedenfalls ziemlich anspruchslose Zuschauer sein, des Hörens, aber auch des Lesens kaum kundig. Stichpunktartig sind im Programmzettel die Werke aufgelistet, in Klammern die Anzahl der Sätze, damit man weiß, wie oft man klatschen darf. Bei den Komponisten reicht der Nachname. Zwischen Bach und Vivaldi gibt es da einen „Gabriel“ (1 movement). Als eingefleischte Klassik-Fans vermuten wir sofort einen Druckfehler — weit gefehlt. Das LCO serviert eine Schmusenummer des Unterhaltungskünstlers Peter Gabriel, der, wie wir zähneknirschend erfahren müssen, ja viel bekannter ist als Mozart oder Beethoven. Warren- Green beschuldigt uns zu Recht, daß wir „an entire stream of compositial talent“ vollkommen ignoriert hätten. Reumütig unterwerfen wir uns den musikalischen Ausfällen von Gabriel und bemühen uns, auch darin „the highest possible standards in classical music“ zu sehen. Das Ergebnis ist zwar dürftig, aber wahrscheinlich handelt es sich hierbei doch um die versprochene „promotion of classical music into a new dimension“, die wir einfach nicht begreifen wollen, obwohl es uns doch so leicht gemacht wird. Man muß nur auf die fröhlichen Virtuosen schauen, wie sie blasen und sägen, immer ein Lächeln auf den Lippen.

Jedes Jahr wollen sie fortan ihre Klassik-Mission durchziehen, ihre Happy Hour — da sind wir doch endlich wieder beim Whisky — verstehen sie „als konsequenten und wiederholten Versuch, ein entsprechendes Publikum aufzubauen“. Da haben Kommerz und Kunst den Naturwissenschaften doch etwas voraus: Man kann den Versuch so lange wiederholen, bis es klappt.

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